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Coraline

Coraline

Titel: Coraline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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sogar noch zarter – vielleicht so wie die Eier eines Zaunkönigs.
    Was immer sich in den Glaskugeln befunden haben mochte, war jetzt verschwunden. Coraline dachte an die drei Kinder, die ihr im Mondschein zum Abschied zugewinkt hatten, bevor sie über den silbernen Bach gingen.
    Sorgfältig sammelte sie die eierschalendünnen Reste ein und bettete sie in eine kleine blaue Schachtel, in der einmal ein Armband gewesen war, das sie als kleines Mädchen von ihrer Großmutter geschenkt bekommen hatte. Das Armband war schon vor langer Zeit verloren gegangen, aber die Schachtel war geblieben.
    Miss Spink und Miss Forcible kehrten von ihrem Besuch bei Miss Spinks Nichte zurück und Coraline ging zum Tee in ihre Wohnung hinunter. Es war ein Montag. Am Mittwoch würde Coraline wieder in die Schule gehen – ein ganz neues Schuljahr begann.
    Miss Forcible bestand darauf, aus Coralines Teeblättern zu lesen.
    »Also, wie’s aussieht, ist alles so weit im Lot und picobello, Herzchen«, sagte Miss Forcible.
    »Bitte?«, sagte Coraline.
    »Es entwickelt sich alles ganz prächtig«, sagte Miss Forcible. »Also, jedenfalls fast alles. Ich weiß nicht so recht, was das da ist.« Sie zeigte auf ein kleines Klümpchen aus Teeblättern, das seitlich an der Tasse klebte.
    Miss Spink schnalzte mit der Zunge und griff nach der Tasse. »Also ehrlich, Miriam. Gib mal her. Lass mich nachsehen . . .«
    Dann schaute sie blinzelnd durch ihre dicken Brillengläser in die Tasse. »Ach du meine Güte! Nein, ich habe auch keine Ahnung, was das zu bedeuten hat. Es sieht fast wie eine Hand aus.«
    Coraline sah sich die Teeblätter an. Das Klümpchen sah tatsächlich wie eine kleine Hand aus, die nach etwas griff.
    Hamish, der Terrier, hatte sich unter dem Stuhl von Miss Forcible verkrochen und kam nicht mehr hervor.
    »Ich glaube, er war in irgendeine Rauferei verwickelt«, sagte Miss Spink. »An der Seite hat er eine tiefe Wunde, das arme Schätzchen. Nachher gehen wir mit ihm zum Tierarzt. Wenn ich nur wüsste, wie das gekommen ist.«
    Und da wusste Coraline, dass etwas geschehen musste.
    In dieser letzten Ferienwoche war das Wetter so wunderbar, als wollte der Sommer ihnen zum Ausgleich für das elende Wetter, das er zuvor gebracht hatte, noch ein paar herrlich sonnige Tage bescheren, bevor er zu Ende ging.
    Der verrückte alte Herr von oben sprach Coraline an, als er sie aus der Wohnung von Miss Spink und Miss Forcible kommen sah.
    »Hallo! Hey! Du! Caroline!«, rief er übers Treppengeländer.
    »Ich heiße Coraline«, sagte sie. »Wie geht’s den Mäusen?«
    »Etwas hat sie verängstigt«, sagte der alte Herr und kratzte sich seinen Schnurrbart. »Ich glaube, es war vielleicht ein Wiesel im Haus. Irgendwas schleicht hier herum. Ich hab es in der Nacht gehört. In meinem Heimatland hätten wir eine Falle aufgestellt, vielleicht ein Bratenstückchen oder eine Frikadelle hineingelegt, und wenn das Vieh kommt, um ein Festmahl abzuhalten, wäre es – wamm – erwischt und würde uns nicht mehr behelligen. Die Mäuse haben solche Angst, dass sie nicht mal ihre kleinen Musikinstrumente aufnehmen.«
    »Ich glaube nicht, dass es hinter Fleisch her ist«, sagte Coraline. Sie langte hoch und berührte den schwarzen Schlüssel, den sie um den Hals trug. Dann ging sie in ihre Wohnung.
    Sie nahm ein Bad und während sie in der Wanne lag, behielt sie den Schlüssel die ganze Zeit um den Hals. Sie nahm ihn nicht mehr ab.
    Nachdem sie zu Bett gegangen war, scharrte etwas an ihrem Fenster. Coraline schlief schon fast, aber sie stieg aus dem Bett und zog die Vorhänge auf. Eine weiße Hand mit blutroten Fingernägeln sprang von der Fensterbank auf eine Regenrinne und war im Nu verschwunden. Außen an der Fensterscheibe waren tiefe Kratzer im Glas.
    In der Nacht schlief Coraline unruhig Sie wachte immer wieder auf und dachte nach, grübelte und schmiedete Pläne und dann schlief sie wieder ein. Dabei konnte sie nie ganz sicher sein, wo ihr Grübeln aufhörte und der Traum anfing, und mit einem halben Ohr lauschte sie ständig nach einem Scharren an der Fensterscheibe oder an der Tür zu ihrem Zimmer.
    Am Morgen sagte Coraline zu ihrer Mutter: »Ich mache heute ein Picknick mit meinen Puppen. Kannst du mir als Tischtuch ein Laken ausleihen – irgendein altes, das du nicht mehr brauchst?«
    »Ich glaube, so was haben wir gar nicht«, sagte ihre Mutter. Sie zog die Küchenschublade auf, in der die Servietten und Tischtücher lagen, und stöberte darin herum.

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