Corbins 04 - Wer den Weg des Herzens folgt...
Ausgleich dafür, aber ich habe ihn immer
sehr geschätzt. Genau wie dich, Melissa.«
Nun ließ Melissa ihren Tränen freien
Lauf, und auch Katherine nahm sich nicht mehr zusammen, und so fand Keith die
beiden Frauen, als er das Zimmer betrat.
»Was habt ihr denn?« fragte er sanft
und legte einen Arm um seine Mutter und den anderen um Melissa. »Soll ich
hinuntergehen und Harlan sagen, daß du es dir anders überlegt hast, Mama?«
»Wehe!« rief Katherine unter Tränen.
»Nun ja, dann würde ich euch raten,
euch zusammenzunehmen. In wenigen Minuten erklingt der erste Takt des
Hochzeitsmarsches.«
Wie auf ein Stichwort hin ertönte
Musik in der Halle.
Melissa trocknete ihre Tränen,
putzte ihre Nase und steckte das Schmuckkästchen zur Aufbewahrung in die
Rocktasche ihres Bruders. Die beiden Frauen umarmten sich noch einmal, und dann
ging Melissa hinaus, um mit den anderen am Fuß der Treppe zu warten.
Als Ehrendame ging Melissa voran,
gefolgt von der Braut, die von Keith zum Altar geführt wurde. Die Zeremonie
wurde von Pater McConnell vollzogen, da außer Keith alle in der Familie
katholisch waren.
Melissa nahm die ganze Trauung nur
wie durch einen Schleier wahr, erfüllt von dem Wissen, daß etwas Neues, Schönes
für ihre Mutter begann, aber für sie, Melissa, etwas endete. Sobald sie sich
zurückziehen konnte, ohne Aufsehen zu erregen, floh sie in die Küche.
Doch dort gesellten sich Adam und
Jeff zu ihr.
»Das Leben ändert sich ständig«,
sagte Jeff tröstend.
»Das ist ja lächerlich!« beklagte
Melissa sich unter Tränen. »Mama erlebt etwas ganz Wunderbares, und ich sitze hier
und flenne wie ein kleines Kind! Man sollte meinen, ich freute mich gar nicht
für sie!«
»Möchtet ihr eine Tasse Kaffee?«
schlug Adam ruhig vor.
Jeff verzog das Gesicht. »Du liebe
Güte, nein«, protestierte er entsetzt. »Damit ich ein Magengeschwür bekomme
und du mich behandeln kannst?«
Melissa lachte. Die Welt hatte sich
doch noch nicht so sehr geändert, wenn Jeff immer noch Jeff war und Adam wie
stets seinen Kaffee stark und bitter trank wie Dieselöl.
Jeff drückte Melissas Hand, und
beide lächelten sich an, als Adam mit einer dampfenden Tasse Kaffee an den
Tisch zurückkam.
»Er ist nicht schlecht, dein Mann«,
sagte Adam plötzlich.
Melissa schaute fragend auf Jeff und
sah, daß er ein verlegenes Gesicht machte. »Ich habe mich wohl nicht gerade
bemüht, einen guten Eindruck zu machen«, sagte er beschämt. »Das tut mir leid,
Kleines.«
»Ich bin nicht sicher, ob ich dir je
verzeihen werde«, entgegnete sie hochmütig.
Doch Jeff lachte nicht. »Was für ein
Mann wird er dir wohl sein, dieser Rafferty?«
»Der gleiche Mann, der Papa für Mama
war«, sagte Melissa verträumt und dachte an die zärtliche Liebe, die ihre
Eltern verbunden hatte.
Adam und Jeff wechselten einen Blick
bei diesen Worten, der ein merkwürdiges Unbehagen in Melissa auslöste, aber
bevor sie sich nach der Bedeutung dieses Blickaustausches erkundigen konnte,
kam Keith herein. Er nahm das Schmuckkästchen aus seiner Rocktasche und übergab
es seiner Schwester. »Da ist jemand, der dich sehen will«, sagte er.
Melissa stellte das Kästchen auf den
Tisch und stand auf. »Wer?«
Keith stieß die Küchentür auf, und
plötzlich stand Ajax auf der Schwelle. Melissa war entsetzt über die Veränderung,
die seit seinem Besuch in Port Riley mit ihm vorgegangen war. Er sah aus, als
hätte er seitdem unablässig getrunken: seine Augen waren rotunterlaufen, seine
Haut fahlgelb, seine Kleider schmutzig und zerknittert.
»Melissa«, sagte er heiser. »Sollen
wir bleiben?« fragte Adam seine Schwester. Aus Mitleid mit Ajax schüttelte sie
den Kopf.
Jeff folgte seinen Brüdern nur
äußerst widerstrebend, aber dann war Melissa allein mit dem Mann, den sie fast
geheiratet hätte. Und im gleichen Augenblick ergriff er ihre Hände und sagte
flehend: »Ich kann es nicht ertragen, dich zu verlieren!«
Melissa war verblüfft. Immerhin
hatte sie ihm zweimal sehr deutlich zu verstehen gegeben, wie ihre Gefühle für
ihn aussahen, und Ajax war ihr nie wie ein besonders gefühlsbetonter Mensch
erschienen. »Ajax, es ist zu spät. Ich bin mit einem anderen Mann verheiratet«,
sagte sie kühl und bereute nun, ihre Brüder fortgeschickt zu haben.
Ajax ließ ihre Hände los und
umklammerte so hart die Rückenlehne eines Stuhls, daß seine Knöchel weiß hervortraten.
»Es war eine übereilte Entscheidung!« klagte er Melissa wütend an. »Du hast
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