Corbins 04 - Wer den Weg des Herzens folgt...
hinauskommst«,
wiederholte Quinn ruhig.
»Ich brauche Geld«, beharrte Eustice
ungerührt.
In der Hoffnung, daß Melissa nicht
ausgerechnet jetzt hereinkam, ging Quinn in die Suite zurück und holte eine
beachtliche Summe Geld aus seiner Rocktasche. Er drückte es seinem Vater in die
Hand. »Und jetzt verschwinde!«
Es war immer das gleiche: sein Vater
kam, und er mußte ihm Geld geben im Ausgleich für das Versprechen, daß Eustice
sich nicht mehr blicken lassen würde. Aber Versprechen waren immer nur soviel
wert wie der Mensch, der sie gab ...
Der alte Mann steckte die Scheine
blitzschnell in die Tasche seines schmutzigen Rocks. »Du hast Ärger in den
Bergen«, sagte er. »Der alte Jack Sever meint, du hättest mit seiner Frau
herumgemacht. Er will dich umbringen und sie auch.«
Quinn strich sich seufzend übers
Haar. »Du hast dein Geld«, sagte er müde. »Geh jetzt.«
Eustice ging zur Tür.
»Was deine vornehme kleine Frau wohl
sagt, wenn sie erfährt, daß ich dein Vater bin? Das muß sie doch ganz schön
schockieren, was?«
Quinn schloß einen Moment die Augen,
hörte in Gedanken seine Mutter weinen und sah Mary wieder vor sich, wie sie in
einer Ecke jener Hütte in den Bergen kauerte, zu Tode erschrocken und vor
Angst am ganzen Körper zitternd.
Eustice ging endlich, aber er mußte
Melissa auf der Treppe begegnet sein, denn als sie hereinkam, fragte sie: »Wer
war dieser komische alte Mann?«
»Uninteressant«, erwiderte Quinn zu
brüsk und sah sofort, daß er Melissa verletzt hatte, aber er wußte nicht, wie
er es ungeschehen machen sollte. Mit einem schiefen Lächeln fragte er: »Wo hast
du diese scheußlichen Hosen her?«
Melissa war nicht nachtragend. »Von
zu Hause natürlich«, antwortete sie und drehte sich vor ihm. »Gefallen sie dir
nicht?«
Quinn zog sie lachend an sich: sie
war wie eine kühle, besänftigende Brise in seinem Leben.
»Ich dachte, wir führten Krieg«,
sagte Melissa und schaute aus ihren schönen blauen Augen verwundert zu ihm auf.
Er küßte ihre Stirn. »Das ist
vorbei«, antwortete er leise. »Du hast gewonnen, Kleines. Du hast mich besiegt.«
Fünfzehn
Melissa hatte zwar ihr Gesicht gewaschen
und ihr Haar gekämmt, als sie die Suite verließen, aber ihre karierten Hosen
trug sie immer noch. Ihre ungewöhnliche Erscheinung erregte beträchtliches
Aufsehen in der Halle Melissa errötete vor Zorn, als einige vornehme Damen
hinter vorgehaltenem Fächer zu flüstern begannen. Quinn hingegen war so
abgelenkt, daß er den Aufruhr, den seine Frau verursachte, gar nicht zu
bemerken schien.
Melissa war hungrig wie ein Wolf
nach dem Baseballspiel und füllte sich ihren Teller am Buffet mit Schinken,
Eiern, Brot und Butter. Als sie dann am Tisch saßen, erschienen Gillian und
Mitch im Saal — Arm in Arm.
Gillian nickte Melissa zu, und diese
wandte sich nach einem kurzen Gruß an ihren Mann. »Morgen fange ich an, Artikel
für die Erstausgabe des Port Riley Clarion zu sammeln. Übrigens hatte
ich an einen Leitartikel über die Eröffnung des neuen Hotels gedacht.«
Endlich schien Quinn aus seiner
Versunkenheit aufzutauchen. »Ich fühle mich geehrt«, sagte er lächelnd.
Melissa wußte nicht, ob es Nachsicht
oder Spott war. »Du tust fast so, als wäre diese Zeitung ein kindisches Spiel«,
protestierte sie. »Du scheinst zu glauben, ich könnte es nicht.«
Quinn hob beschwichtigend die Hand.
»Ich glaube nur, daß du gar nicht weißt, was alles damit verbunden ist«,
entgegnete er diplomatisch. »Wahrscheinlich hast du noch nie in deinem Leben
eine Niederlage erlebt und meinst deshalb, alle deine Ideen müßten auch zu
verwirklichen sein.«
Melissa hörte auf zu essen, aber
bevor sie etwas erwidern konnte, erschienen Gillian und Mitch an ihrem Tisch.
»Dürfen wir uns zu euch setzen?«
fragte Mitch. »Klar«, erwiderte Quinn — ohne Melissas Ansicht abzuwarten.
Melissa und Gillian wechselten einen
gleichermaßen unbehaglichen Blick.
Doch Gillian erholte sich schnell.
»Bemerkenswert«, stichelte sie mit einem bezeichnenden Blick auf Melissas Hose.
Die Männer waren so in ihre eigene
Unterhaltung vertieft, daß sie das kleine Drama, das sich am Tisch anbahnte,
gar nicht bemerkten.
»Danke«, erwiderte Melissa, als
handelte es sich um ein Kompliment.
Gillian lachte hell und spießte eine
Erdbeere auf ihre Gabel, bevor sie fragte: »Ich muß es wissen, meine Liebe —
haben Sie an diesem Schauspiel, das heute morgen auf dem Rasen
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