Cordina's Royal Family 1-4
zu treten, zu stehlen. Und sogar zu töten.”
Es machte ihr Spaß, ihm zuzuhören, es gefiel ihr, dass er seine Vorstellungen mit ihr diskutierte, wie er es vielleicht mit einer intelligenten Studentin tun würde. Oder womöglich sogar mit einer Kollegin. „Das sagt nicht viel aus über den Menschen”, bemerkte sie.
„Im Gegenteil.” Er berührte die Kinnlade eines alten, ausgebleichten Schädels. „Es sagt aus, dass der Mensch selbst eine komplexe, geniale und sich ständig weiterentwickelnde Erfindung ist. Er baut etwas auf und zerstört mit fast denselben Fähigkeiten und derselben Energie. Dabei erfindet er sich selbst immer wieder neu.”
„Und was haben Sie aus sich selbst gemacht?” fragte sie ihn.
Er drehte den Hammerkopf in der Hand und legte ihn dann wieder beiseite. „Mich hungrig geredet. Wann gibt es Essen?”
Sie hatte nicht vor, die Diskussion abzubrechen, aber sie hatte nichts dagegen, noch ein bisschen über das Gesagte nachzudenken, während sie das Abendessen zubereitete. Sie schüttete Nudeln in das kochende Wasser, schleuderte Salat trocken. Besprenkelte Kräuter mit Öl für die dicken Brotscheiben.
Sie schenkte Wein ein. Zündete die Kerzen an.
Und als sie sich schließlich in der gemütlichen Küche umschaute und hörte, wie der Regen leise aufs Dach trommelte, wurde ihr klar, dass sie heute Abend – unbewusst – einen Trick angewandt hatte. Die Bühne, die sie hergerichtet hatte, war zweifellos romantisch. Dabei hatte sie einfach nur vorgehabt, es irgendwie nett und gemütlich zu machen. Aber offenbar hatte sich ein Instinkt eingeschaltet. Vielleicht schaffte ja ein bestimmter Typus Mensch – vor allem, wenn er sich zu einem anderen sexuell hingezogen fühlte – ganz instinktiv eine romantische Atmosphäre.
Sie merkte, dass es ihr gefiel, das von sich selbst zu wissen. Romantik war – zumindest in ihren Augen – etwas Warmes und Großzügiges.
Romantik bezog das Wohlbefinden und das Vergnügen des anderen mit ein.
Romantik war etwas völlig anderes als ein verdammter Hammer, entschied sie, während sie die Nudeln abgoss.
„Von einem Hammer geht immer Gewalt oder die Androhung von Gewalt aus”, erklärte sie, als Del in die Küche kam.
„Von was?”
„Einem Hammer”, wiederholte sie leicht verärgert. „Romantik ist kein Hammer.”
„Okay.” Er streckte die Hand nach einem Stück Brot aus, aber sie gab ihm einen leichten Klaps auf den Handrücken.
„Setzen Sie sich erst einmal hin. Beweisen Sie, dass Sie sich zu einem zivilisierten menschlichen Wesen entwickelt haben. Und sagen Sie nicht okay, nur weil das Thema Sie langweilt und Sie sich den Bauch voll schlagen möchten.”
„Das sind ja ganz schön strenge Sitten hier”, sagte er.
„Ich habe vorhin gesagt, dass diese Menschen Gefühle gezeigt haben.
Mitgefühl, Liebe … gewiss auch Hass, wie man aus den Knochenfunden ersehen kann, die Spuren von Gewalteinwirkung tragen. Gefühle machen uns menschlich, oder?” fragte sie, während sie ihm Salat auftat. „Wenn wir nur von unseren Instinkten getrieben würden, hätten wir keine Kunst, keine Musik und auch keine Wissenschaft. Wir hätten uns nicht weit genug fortentwickelt, um neben einem Teich ein Dorf zu bauen und Rituale zu entfalten und auch nicht genug Liebe, um unserem Kind sein Spielzeug mit ins Grab zu legen.”
„Okay … ich meine, ja, das stimmt”, beeilte er sich hinzuzufügen, als er sah, dass sie ihn aus zusammengekniffenen Augen anschaute. Er wollte das Essen in den Magen und nicht über den Kopf bekommen. „Das ist ein guter Ansatz … Sie könnten wahrscheinlich einen interessanten Aufsatz darüber schreiben.”
Sie blinzelte erstaunt. „Meinen Sie wirklich?”
„Archäologie ist keine knochentrockene Angelegenheit. Es geht dabei nicht nur um Tatsachen und Artefakte. Daneben muss Raum sein für Spekulationen und Theorien. Und für Fragen. Die Archäologie überlappt sich teilweise mit der Anthropologie, und da haben wir es mit Kulturen zu tun. Aus den Kulturen entwickeln sich Traditionen. Traditionen entstehen aus Notwendigkeit, Aberglauben oder aus irgendwelchen gefühlsmäßigen Aspekten heraus.”
„Nehmen Sie Ihren Stamm.” Besänftigt hielt sie ihm den Brotkorb hin.
„Woher wollen Sie wissen, dass ein Mann nicht um eine Frau geworben hat, indem er ihr einen Strauß Wildblumen oder eine Tasse frische Walderdbeeren mitgebracht hat?”
„Ich weiß nicht, ob er es getan hat. Aber ich weiß genauso wenig, dass er es
Weitere Kostenlose Bücher