Corellia 02 - Angriff auf Selonia
weiter. Lautlos, mit vor sichtigen, bedächtigen Bewegungen. Dort. Direkt unter ihr. Der nächste Fenstersims. Ihre Füße berührten den Sims, und sie ruhte sich für einen Moment aus. Holte Luft und krümmte ihre Finger. Widerstand der starken Versuchung, länger zu verweilen, als unbedingt nötig war. Kletterte wei ter.
Hinunter zum fünfzehnten Stock, der VIP-Etage, einem Stockwerk mit doppelt hoher Decke für die an luxuriöse Räumlichkeiten gewöhnten illustren Gäste. Dort lag auch ih re alte Suite. Leia rechnete nicht damit, daß ein glücklicher Zufall sie zum Fenster ihrer Suite geführt hatte, und ihre An nahme erwies sich als richtig. Aber sie hoffte, wenigstens auf ein zersplittertes Fenster zu stoßen. Der fünfzehnte Stock war beim Angriff stark beschädigt worden, und wenn die Li gisten nicht all ihre wachen Stunden damit verbracht hatten, die geborstenen Scheiben zu ersetzen, mußte sie eigentlich einen Weg ins Innere finden.
Sie seilte sich weiter ab und seufzte erleichtert, als sie sah, daß praktisch alle Fensterscheiben geplatzt waren und die Vorhänge im Wind flatterten. Eine erfreuliche Entdeckung. Sie würde problemlos ins Innere gelangen können. Die weniger erfreuliche Entdeckung war, daß sie die doppelt hohen Decken vergessen hatte und der nächste Fenstersims doppelt so weit unter ihr lag. Sie hatten das Seil so lang wie möglich gemacht, aber jetzt war ein zusätzliches Stockwerk zu über winden, und Leia wußte nicht, ob es so weit reichte. Es war unmöglich, per Augenschein die Länge des restlichen Seiles zu schätzen. Es war dunkel, das Seil war nicht straff ge spannt, und es pendelte im Wind.
Plötzlich rutschte Leia mit dem Fuß ab. Sie schwang durch die Luft und prallte von der Wand ab, während das Seil nachgab und sich verdrehte. Sie sackte etwa einen hal ben Meter in die Tiefe; offenbar hatte sich das Seil irgendwo weiter oben verfangen gehabt und sich jetzt gelöst.
Mühsam gelang es Leia, ihre Pendelbewegung zu stoppen und sich haltsuchend an das Gebäude zu drücken. Sie wi derstand dem Impuls, eine Atempause einzulegen; auf diese Weise lief sie nur Gefahr, das große Zittern zu bekommen, und das konnte sie sich nicht leisten.
Aber ihr war auf drastische Weise in Erinnerung gerufen worden, daß es über ihr zwei Simse gab, an denen sich das Seil verhaken und scheuern konnte. Sie mußte so schnell wie möglich ins sichere Innere gelangen. Dort, direkt unter ihr, befand sich ein zersplittertes Fenster. Das mußte genügen. Sie rutschte an der Wand hinunter, bis es keine Wand mehr gab und sie vor dem Fenster hing. Vorsichtig seilte sie sich weiter ab und betete, daß keine neue Windbö aufkam und sie erneut durchschüttelte.
Unter ihr flatterten die Vorhänge aus dem geborstenen Fenster, und sie konnte wenig tun, um zu verhindern, daß sie sich in ihnen verfing. Sie schob sie, so gut es ging, mit den Füßen zur Seite, aber der Wind machte ihr Anstrengun gen zunichte. Sie trat wieder nach ihnen und dann wieder – und dann war sie an ihnen vorbei, nur um erneut von ihren Haaren geblendet zu werden, die ihr ein Windstoß ins Ge sicht wehte.
Und dann traf ihr Fuß den Sims, hart genug, daß sie sich den Knöchel verstauchte. Leia hatte sich noch nie so sehr über Schmerzen gefreut. Sie hatte es geschafft. Sie stellte bei de Füße fest auf den Sims – und entdeckte, daß das Seil un gefähr einen Meter über dem Sims endete. Das war ver dammt knapp gewesen. Die Vorhänge wehten ihr wieder ins Gesicht, aber sie ignorierte sie, blieb für einen Moment mit geschlossenen Augen stehen und versuchte, sich zu beruhi gen.
Aber mehr als einen Moment gönnte sie sich nicht. Sie schob die Vorhänge zur Seite und trat durch das zerbroche ne Fenster auf die Fensterbank. Nachdem sie den Klettergurt abgestreift hatte, zog sie dreimal am Seil, wartete, zog noch dreimal, wartete wieder und zog erneut dreimal. Das Zei chen sagte Mara, daß sie sicher angekommen war.
Sekunden später zuckte und tanzte das Seil, als Mara das Zeichen erwiderte.
Leia stieg vorsichtig von der niedrigen Fensterbank in den dunklen Raum und achtete darauf, nicht auf die überall herumliegenden Glasscherben zu treten. Sie würde Mara gleich hereinhelfen müssen, wollte sich vorher aber eine kurze Atempause gönnen.
Bis jetzt war alles gutgegangen, und in gewisser Hinsicht war dies beängstigend. Sie war bis auf die Knochen durchgefroren, ihre Finger waren wund und schmerzten, sie hatte sich einen Knöchel
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