Corkle 1
reizend, dankbar und aufrichtig gewesen.
Gegen acht Uhr hatten die Anrufe aufgehört, und Cooky hatte seine Notizen durchgesehen. Gemeinsam hatten wir inzwischen eine Flasche geleert. Cooky hatte sich einmal umgesehen und eine neue in bequemer Reichweite entdeckt. Er hatte sie mir zugeworfen und gesagt: »Mix uns noch einen, Mac, während ich den Murks schreibe.«
Er hatte die Schreibmaschine vor sich geschwenkt, ein Blatt eingeführt und den Text mitgesprochen, den er tippte: »Bundeskanzler Ludwig Erhard sagte heute …« An diesem Abend hatte er zwei Minuten Sendezeit, und er hatte fünf gebraucht, um den Text zu schreiben. »Willst du mit zum Studio?« hatte er gefragt.
Mehr als angesäuselt hatte ich zugestimmt. Cooky hatte eine Flasche Scotch in seinen Regenmantel gesteckt, und wir waren zur deutschen Rundfunkstation gesaust. Der Funktechniker wartete schon an der Tür.
»Sie haben noch zehn Minuten, Herr Baker. New York hat schon nach Ihnen gefragt.«
»Reichlich Zeit«, hatte Cooky geantwortet und die Flasche herausgezogen. Der Techniker trank, ich trank, Cooky trank. Ich war inzwischen betrunken, aber Cooky wirkte so herzlich und charmant wie immer. Wir waren ins Studio gegangen, und er hatte sich ans Telefon gesetzt, um mit seinem Redakteur in New York zu sprechen. Der Redakteur hatte angefangen, die Meldungen von AP und UPI, die über Fernschreiber aus Bonn gekommen waren, herunterzuleiern.
»Das habe ich … das auch … und das. Ja, das auch. Und ich habe noch eine über den Botschafter … Mir ist völlig gleichgültig, daß AP sie nicht hat. Sie werden sie nach neun bringen.«
Wir alle tranken noch einen Schluck, Cooky hatte einen Kopfhörer aufgesetzt und sprach über das Mikrofon mit dem Techniker in New York. »Wie steht alles, Frank? Gut. Na schön, es geht los.«
Und Cooky hatte angefangen zu lesen. Seine Stimme klang vorzüglich. Eine Flasche Scotch hatte offensichtlich keine Wirkung auf ihn. Es hatte kein Zögern, keinen Versprecher gegeben. Einmal hatte er auf die Uhr gesehen, sein Tempo geringfügig verlangsamt und war in zwei Minuten fertig gewesen.
Wir hatten noch einen Schluck getrunken und waren dann in die Bar gefahren, wo Cooky und ich uns mit zwei Sekretärinnen vom Verteidigungsministerium trafen. »Auf diese Weise«, hatte er auf dem Weg nach Godesberg gesagt, »halte ich durch. Ohne den Sendetermin jeden Abend und die Tatsache, daß ich morgens nicht aufstehen muß, würde ich weiße Mäuse zählen. Weißt du, Mac, du solltest aufhören zu trinken. Du hast alle Anzeichen des Säufers.«
»Ich heiße Mac, und ich bin Alkoholiker«, hatte ich automatisch gesagt.
»Das ist der erste Schritt. Wenn ich das nächste Mal trocken bin, unterhalten wir uns mal gründlich.«
»Darauf kann ich warten.«
Dank seiner »Täubchen«, wie er sie nannte, kannte Cooky Bonn wie nur wenige andere. Er kannte die Dienstbotenprobleme in der argentinischen Botschaft ebenso gut wie die internen Machtkämpfe in der CDU. Er vergaß nie etwas. Einmal hatte er gesagt: »Manchmal glaube ich, daß ich nur deshalb trinke: um festzustellen, ob ich nicht doch mal aussetze. Es ist mir aber nie passiert. Ich erinnere mich an jede verdammte Kleinigkeit, die gesagt oder getan wurde.«
»Du zitterst heute nicht besonders«, sagte ich.
»Der liebe Onkel Doktor gibt mir jeden Tag Vitaminspritzen. Das ist eine Art Crashprogramm. Er vertritt die Theorie, daß ich so viel trinken kann, wie ich will, solange ich genügend Vitamine bekomme. Er war selbst ein bißchen angeschlagen, als er heute gegangen ist, und wollte sich unbedingt auch eine Spritze geben.«
Ich schlürfte meinen Kaffee. »Mike meint, unser Lokal müßte ausgefegt werden. Meine Wohnung auch. Er sagt, du weißt, wer das tun kann.«
»Wo ist Mike?«
»In Berlin.«
»Wie bald soll es denn sein?«
»So bald wie möglich.«
Cooky griff nach dem Telefon und wählte zehn Ziffern. »Der Mann wohnt in Düsseldorf.«
Er wartete, während das Telefon klingelte. »Hier ist Cooky, Konrad … Gut … Es gibt zwei Stellen in Bonn, die auf dein Talent warten … Mac’s Place in Godesberg – du weißt, wo es ist? Gut. Und eine Wohnung. Die Adresse ist …« Er sah mich an. Ich nannte sie ihm, und er wiederholte sie ins Telefon. »Ich weiß nicht. Telefone und alles, nehme ich an. Warte mal.« Er wandte sich mir zu und fragte: »Und wenn er was findet?«
Ich überlegte einen Augenblick. »Sag ihm, er soll alles so lassen, dir aber genau Bescheid sagen, wo
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