Corkle 1
Blocks von hier entfernt, sagt Max. Er bleibt an der Tür, bis wir zurückkommen. Unsere beiden Freunde schlafen.«
Das Café sah ganz gewöhnlich aus. Wir hatten die neun Blocks von Langemanns Werkstatt in fünfzehn Minuten zurückgelegt, waren durch dunkle Straßen gegangen und nur gelegentlich einem oder zwei Fußgängern begegnet. Wir postierten uns gegenüber dem Café im Eingang eines Bürogebäudes.
Maas kam zu Fuß um viertel vor zwölf. Seit wir unsere Wache aufgenommen hatten, hatten drei Männer einzeln das Café verlassen. Maas hatte es als einziger betreten. In der restlichen Viertelstunde kam oder ging niemand mehr.
»Los, gehen wir«, sagte Padillo.
Wir überquerten die Straße und gingen ins Café. Die Theke befand sich unmittelbar am Eingang. Links der Tür waren drei Nischen, der übrige Raum wurde von Tischen und Stühlen eingenommen. An einem Tisch saß ein Pärchen. Drei einzelne Trinker brüteten über ihrem Bier, und ein Kaffeekunde las eine Zeitung. Der Mann hinter der Theke nickte uns zu und sagte Guten Abend.
»Wir werden hier von einem Freund erwartet«, sagte Padillo. »Einem Herrn Maas.«
»Er sitzt schon im Hinterzimmer. Durch den Vorhang da«, sagte der Barmann. »Wollen Sie gleich etwas bestellen?«
»Zwei Wodka«, sagte Padillo.
Ich ging vor durch den Hauptraum und schob den Vorhang zur Seite. Maas, nach wie vor in seinem dicken braunen Anzug, schaute uns von einem runden Tisch entgegen. Ein Pokal mit Wein stand vor ihm neben einem neuen braunen Hut. Er stand auf, als er uns sah.
»Ah! Herr McCorkle«, gurgelte er.
»Herr Maas, Herr Padillo.«
Maas gab Padillo den üblichen Händedruck und kam eilig um den Tisch herum, um uns Stühle zurechtzurücken. »Es ist mir wirklich ein Vergnügen, Sie kennenzulernen, Herr Padillo. Sie sind ein Mann mit bemerkenswertem Ruf.«
Padillo setzte sich an den Tisch, ohne zu antworten.
»Haben Sie sich etwas zu trinken bestellt?« fragte Maas. »Ich habe den Mann hinter der Theke angewiesen, Ihnen nur das Beste zu geben. Sie sind meine Gäste.«
»Wir haben bestellt«, antwortete ich.
»Tja, Sie haben einen ausgefüllten, anstrengenden Tag hinter sich, möchte ich meinen«, sagte Maas.
Wir sagten nichts darauf, und der Barmann kam durch den Vorhang und stellte uns die Getränke hin.
»Sorgen Sie dafür, daß wir ungestört bleiben«, befahl Maas.
Der Mann zuckte mit den Schultern. »In einer Stunde schließen wir.«
Er ging, und Maas hob sein Weinglas. »Wollen wir auf ein erfolgreiches Unternehmen trinken, meine Freunde?«
Wir tranken.
Padillo zündete sich eine Zigarette an und blies Rauch zur Decke. »Ich glaube, wir können jetzt zum Geschäftlichen kommen, Herr Maas. Was haben Sie uns vorzuschlagen?«
»Haben Sie den Stadtplan gesehen, den ich Herrn McCorkle gegeben habe?«
»Ja. Das kann überall sein. Oder auch nirgends.«
Maas lächelte mild. »Der Gang existiert, Herr Padillo, er existiert wirklich. Ich will Ihnen etwas von seiner Geschichte erzählen.« Er machte eine Pause, um an seinem Wein zu nippen.
»Romanze, Verrat und Tod spielen dabei mit, ein recht faszinierendes Melodrama.« Maas nippte wieder von seinem Wein, zog drei Zigarren aus der Tasche und bot uns jeweils eine an, lächelte verständnisvoll, als wir ablehnten, steckte zwei wieder weg und zündete sich die dritte an. Wir warteten.
»Im September 1949 starb eine zweiundsechzigjährige Witwe, die ich einmal Frau Schmidt nennen will, an Krebs. Frau Schmidt hinterließ ihren einzig wertvollen Besitz, ein von Bomben etwas beschädigtes, dreistöckiges Haus, ihrem Lieblingssohn – wir wollen einmal annehmen, daß er Franz hieß –, einem Ingenieur, der damals für die amerikanische Armee in Westberlin arbeitete. Die Wohnungsnot war in Ostberlin wie in Westberlin sehr groß, deshalb zog Franz mit seiner Familie, die aus ihm selbst, seiner Frau und einem vierjährigen Sohn bestand, in das Haus seiner verstorbenen Mutter. Das Haus war alt, aber seinerzeit, 1910 oder 1911, solide gebaut worden.
In jener Zeit bestand zwischen den Sektoren im Westen und Osten praktisch freier Zugang, und Franz Schmidt arbeitete weiter für die Amerikaner. An den Wochenenden renovierte er sein Haus. Für seine Mühe erhielt er eine kleine Unterstützung von einer Dienststelle der Ostberliner Verwaltung. 1955 arbeitete Herr Schmidt bei einer privaten technischen Beraterfirma in Westberlin. Ohne große Schwierigkeiten gelang es ihm, sein Haus vom Keller bis zum Dachboden völlig
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