Corum 01 - Der scharlachrote Prinz
die Hand einzuhauen, aber der Gott schien die Hiebe überhaupt nicht zu spüren, obwohl das Schwert tiefe Schnitte verursachte. Von Ariochs Schultern, von seinen Ohren und vom verfilzten Haar hängend, beobachteten Corum neugierige, aber erschrockene Mabden-Augen.
»Keiner von meinen!« dröhnte Arioch erneut. »Einer von seinen. Aye. Einer von seinen!«
»Von wem denn?« brüllte Corum, sich heftig wehrend.
»Von dem einen, dessen Palast ich erst vor kurzem an mich nahm. Von dem ernsten Gesellen. Von Arkyn. Arkyn von der Ordnung. Einer von seinen! Ich glaubte, sie wären schon alle tot. Ich kann sie nicht ständig im Auge behalten, diese kleinen Dinger, die ich nicht erschaffen habe. Ich verstehe sie nicht.«
»Arioch! Du hast alle meiner Rasse getötet!«
»Ah, gut! Alle, sagst du? Gut! Ist das die Botschaft, die du mir bringst? Warum hörte ich nicht schon früher davon, von einer meiner eigenen kleinen Kreaturen?«
»Laß mich los!« schrie Corum.
Arioch öffnete die Hand, und Corum stürzte auf den Boden. Er hatte nicht mit dieser Reaktion gerechnet.
Und erst jetzt wurde ihm die volle Ungerechtigkeit seines Schicksals bewußt. Arioch hatte keinen Haß auf die Vadhagh. Sie waren ihm genauso gleichgültig wie die parasitischen Mabden, die sich von seinem Körper nährten. Er wollte nur seine Palette von den alten Farben reinigen, wie ein Maler, ehe er ein neues Gemälde beginnt. Alles Leid und alle Grausamkeiten, die er und die Seinigen hatten erdulden müssen, verdankten sie den Launen eines gelangweilten, uninteressierten Gottes, der nur hin und wieder seine Aufmerksamkeit der Welt widmete, über die er herrschte.
Dann verschwand Arioch.
Eine andere Gestalt stand plötzlich vor Corum, und alle Mabden waren verschwunden.
Der andere war ein gutaussehender Mann, der Corum mit einer Art herablassender Zuneigung betrachtete. Er war ganz in Schwarz und Silber gekleidet und eine Miniaturausgabe des schwarzen Götterschwerts hing an seiner Seite. Er bedachte den Vadhagh mit einem rätselhaften Lächeln. Er schien Corum das personifizierte Böse.
»Wer seid Ihr?« keuchte Corum.
»Ich bin Herzog Arioch, dein Herr. Ich bin der Lord der Hölle, ein Nobelmann aus dem Reiche des Chaos, ich bin der Schwertritter. Ich bin dein Feind.«
»Das seid Ihr. Das andere war wohl nicht Eure wahre Gestalt?«
»Ich bin, was immer du in mir sehen willst, Prinz Corum. Und meine ›wahre‹ Gestalt - nun, ich kann jede annehmen, die mir gefällt - oder dir. Hältst du mich für das Böse, so werde ich auch die Gestalt demnach wählen. Betrachtest du mich als gut, nehme ich die Gestalt an, die dazu paßt. Es ist mir persönlich gleichgültig. Mein einziger Wunsch ist, in Frieden zu leben, verstehst du? Und mir die Zeit angenehm zu vertreiben. Und wenn du gern ein Schauspiel geben willst, ein Drama, das du dir ausgedacht hast, spiele ich so lange mit, bis ich seiner müde bin.«
»Hattet Ihr nie andere Ambitionen?«
»Was? Nie? Vielleicht doch. Damals, möglicherweise, als ich noch gegen die Lords der Ordnung kämpfte, die früher auf diesen Ebenen herrschten. Aber jetzt habe ich gesiegt und das bekommen, was mir zusteht. Sind denn nicht alle Wesen in dieser Beziehung gleich?«
Corum nickte. »Vermutlich schon.«
Arioch lächelte. »Und was nun, kleiner Corum der Vadhagh? Du mußt bald vernichtet werden, weißt du? Nur, damit ich meine Ruhe habe, das verstehst du doch? Es ist gut, daß du auf meinen Hof gekommen bist. Als Belohnung werde ich dich königlich bewirten und dann, irgendwann, schnippe ich dich hinweg. Das Warum kennst du jetzt.«
Corum blickte ihn finster an. »Ich lasse mich nicht ›hinwegschnippen‹, Herzog Arioch.«
»Ich werde dich kaum fragen.« Arioch gähnte gelangweilt. »Aber sag mir, was kann ich tun, um dich zu unterhalten?«
Corum zögerte, dann bat er: »Mich interessiert Euer Palast. Zeigt Ihr mir alles? Ich habe noch nie etwas so Gewaltiges gesehen.«
Arioch hob die Brauen. »Wenn das alles ist - «
»Im Augenblick, ja.«
Der Gott lächelte. »Na schön. Außerdem kenne ich selbst noch nicht alle Räume.« Er legte eine Hand sanft auf Corums Schulter und führte ihn durch ein Portal.
Während sie eine prächtige Galerie mit glänzenden Marmorwänden entlangspazierten, sprach Arioch mit ruhiger, fast beschwörender Stimme. »Du mußt verstehen, Freund Corum, diese fünfzehn Ebenen hatten längst ein Stadium der Stagnation erreicht. Was tatet Ihr Vadhagh und die anderen? Nichts! Kaum,
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