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Corum 04 - Das kalte Reich

Corum 04 - Das kalte Reich

Titel: Corum 04 - Das kalte Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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angebrochen war, gab es keine neuen Blätter an den Bäumen und kein junges Gras. Die Welt schien unter dem Frost erstarrt. Das Leben war aus ihr geflohen. Corum erinnerte sich, wie mild es hier gewesen war, als er seine eigene Zeit verlassen hatte. Es stimmte ihn traurig, daran zu denken, wie der größte Teil dieses einst lieblichen Landes aussehen mußte, nachdem die Fhoi Myore mit ihren Hunden und ihren Dienern darüber hingezogen waren.
    Sie zügelten ihre Pferde am Rand der Klippen und blickten auf die schäumende Brandung herab, die in der kleinen Bucht unter ihnen gegen die Felsen schlug.
    Hohe schwarze Klippen, alt und ausgewaschen, erhoben sich hier aus dem Wasser, von unzähligen Höhlen und Grotten durchzogen. Alles war noch so, wie Corum es vor einem Jahrtausend gekannt hatte.
    Nur der Burgfelsen hatte sich verändert. Die vordere Hälfte war abgebrochen. Vom Abbruch erstreckte sich eine wasserzerfressene Halde von Granitschutt bis ins Meer. Jetzt verstand Corum, warum von Burg Erorn nicht mehr viel erhalten geblieben war.
    »Dort liegt, was man den Sidhi-Turm nennt oder Cremms Turm.« Medheb zeigte ihm, was sie meinte. Es lag auf der anderen Seite der durch den Abbruch geschaffenen Spalte. »Aus der Entfernung sieht es aus, wie von Menschenhand erbaut, aber in Wahrheit ist es natürlichen Ursprungs.«
    Aber Corum wußte es besser. Er erkannte die vertrauten Umrisse.
    Tatsächlich schienen sie ein Werk der Natur zu sein, denn die Architektur der Vadhagh hatte sich immer bemüht, alle Bauwerke harmonisch in die Natur einzufügen. Aus diesem Grund hatten schon zu Corums eigener Zeit manche Wanderer Burg Erorn nicht mehr erkannt und gefunden.
    »Dort liegt ein Bauwerk meines Volkes«, erklärte Corum ruhig. »Das sind die Überreste Vadhaghscher Architektur. Ich weiß es, auch wenn mir niemand glauben würde.«
    Sie wirkte überrascht. Sie lachte. »Dann ist die Legende doch wahr. Es ist Euer Turm!«
    »Ich bin dort geboren«, sagte Corum. Er seufzte. »Und ich glaube, dort bin ich auch gestorben«, fügte er hinzu. Er stieg vom Pferd und trat so dicht an den Rand der Klippen, daß er in die Tiefe sehen konnte. Die See hatte das Vorgebirge hier durchbrochen und aus dem Burgfelsen eine schmale, von Wasser umgebene Felsnadel gemacht. Corum blickte über den Kanal zu der Ruine des Turms hinüber. Er erinnerte sich Rhalinas, erinnerte sich seiner Familie, seines Vaters Prinz Khlonskey, seiner Mutter Prinzessin Colatalarna, seiner Schwestern Ilastru und Pholhinra, seines Onkels Prinz Rhanan und seiner Kusine Sertreda. Sie alle waren jetzt lange tot. Rhalina hatte wenigstens ihre natürliche Lebensspanne erleben dürfen, aber die anderen waren von Glandyth-a-Krae und seiner Mörderschar brutal erschlagen worden. Keiner bewahrte mehr eine Erinnerung an sie außer Corum. Einen Augenblick lang beneidete er sie darum, denn zu viele erinnerten sich an Corum.
    »Aber Ihr lebt doch«, riß ihn Medheb aus seinen Gedanken.
    »Tue ich das? Ich frage mich, ob ich nicht vielleicht nur ein Schatten bin, eine Materialisation der Sehnsüchte Eueres Volkes. Schon verblassen die Erinnerungen an mein früheres Leben. Ich kann mich kaum noch erinnern, wie meine Familie ausgesehen hat.«
    »Ihr habt eine Familie dort, wo Ihr hergekommen seid?«
    »Ich weiß, daß die Legende erzählt, ich schliefe unter dem Hügel, bis mein Volk mich braucht, aber das ist nicht wahr. Ich bin aus einer anderen Zeit hierher gebracht worden einer Zeit, in der Burg Erorn sich erhob, wo jetzt nur noch diese Ruinen zu sehen sind. Oh ja, viele Ruinen hat es in meinem Leben gegeben, so viele Ruinen.« »Und Euere Familie habt Ihr in jener anderen Zeit zurückgelassen, um uns zu helfen?«
    Corum schüttelte den Kopf und wandte sich ihr mit einem bitteren Lächeln auf den Lippen zu.
    »Nein, Lady, das hätte ich nie getan. Meine Familie wurde von Euerer Rasse erschlagen von Mabden. Meine geliebte Frau ist tot.« Er zögerte.
    »Sie auch erschlagen?«
    »Sie starb, als sie ihr Alter erreicht hatte.«
    »Sie war älter als Ihr?«
    »Nein.«
    »So seid Ihr wirklich unsterblich?« Medheb blickte auf die See hinaus.
    »Aus der Sicht eines Mabden, ja. Darum fürchte ich die Liebe, wenn Ihr das versteht.«
    »Ich würde Euere Unsterblichkeit nicht fürchten.«
    »Das tat auch die Markgräfin Rhalina nicht, meine Braut. Und auch ich fürchtete mich nicht, denn ich konnte mir nicht vorstellen, was Liebe für einen Unsterblichen bedeutet, bis ich es selbst erlebt

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