Corum 04 - Das kalte Reich
angreifende Hunde und etwas mehr als hundert Krieger auf den Mauern. Die Hunde mußten gewaltige Sprünge machen, um mit ihren Klauen die Mauerkronen zu erreichen und sich darüber zu ziehen. Aber Corum zweifelte nicht daran, daß die Bestien dazu in der Lage sein würden.
Gerade als er zu diesem Schluß kam, flog ihm auch schon ein weißer Angreifer entgegen, die Vorderläufe weit ausgestreckt, mit gefletschten Zähnen und heißen, gelben Augen. Hätte Corum sein Schwert nicht bereits gezückt, wäre er ein Opfer der schrecklichen Fänge geworden. So konnte er seine Klinge rechtzeitig in Position bringen. Er streckte sie dem heranfliegenden Hund entgegen, der sich mit solcher Wucht über die Schwertspitze warf, daß Corum fast den Stand verlor. Das Tier spießte sich selbst auf die Klinge und knurrte leicht verwundert, bevor es mit einem Wutgeheul sein Schicksal begriff. Es machte einen vergeblichen, kraftlosen Versuch, nach Corum zu schnappen, und stürzte dann zurück in die Tiefe, wo es auf den Rücken eines Jagdgenossen schlug.
Für kurze Zeit schien es, als hätten die Hunde des Kerenos für diesen Tag genug gehabt, denn sie zogen sich zurück. Aber ihr sich nicht allzu weit entfernendes Knurren und Heulen bewies, daß sie nur Kräfte für einen neuen Angriff sammelten. Vielleicht holten sie sich auch neue Befehle von einem unsichtbaren Herren vielleicht von Kerenos selbst. Corum hätte viel für den Blick auf einen der Fhoi Myore gegeben. Sein Wunsch, diese Wesen zu sehen, entsprang der Hoffnung, aus ihrem Äußeren etwas über ihre Herkunft und ihre Fähigkeiten zu erfahren. Während des Kampfes hatte er kurz eine dunkle Gestalt im Nebel gesehen. Eine Gestalt, die größer als die Hunde war und sich aufrecht auf zwei Beinen zu bewegen schien. Aber der Nebel wogte so wild (ohne sich jedoch je dabei zu lichten), daß der Vadhagh sich auch getäuscht haben konnte. Wenn er tatsächlich den Umriß eines Fhoi Myore gesehen hatte, gab es keinen Zweifel, daß diese Wesen wesentlich größer als Menschen waren und wahrscheinlich gar nicht zu dieser Rasse gehörten. Aber wo sollten andere Wesen, die weder Vadhagh noch Nhadragh noch Mabden waren, hergekommen sein? Diese Frage bewegte Corum seit seinem ersten Gespräch mit König Mannach besonders.
»Die Hunde! Die Hunde!«
Ein Krieger schrie, während er von einem schimmernden weißen Schatten umgerissen wurde, der lautlos aus dem Nebel herangesprungen war. Hund und Mann stürzten nach hinten vom Wehrgang und landeten mit einem dumpfen Krachen in der schmalen Gasse unter der Mauer.
Nur der Hund kam wieder hoch, menschliches Fleisch in seinen Fängen. Er grinste, wandte sich ab und rannte die Gasse hinunter. Ohne zu überlegen schleuderte Corum ihm sein Schwert nach. Die Klinge drang dem Tier tief in die Seite. Es heulte auf und versuchte, nach dem Schwert zu schnappen, das zwischen seinen Rippen steckte. Wie ein junger Hund, der seinen Schwanz jagt, drehte es sich mehrmals um sich selbst. Vier, fünf Umdrehungen machte das große Tier, bis es begriffen hatte, daß es tot war.
Corum sprang die Treppe zur Straße hinab, um sich sein Schwert zurückzuholen. Solche monströsen Hunde hatte er nie zuvor gesehen. Auch ihre Farbe war anders als alles, was Corum in der Natur bisher zu Gesicht bekommen hatte. Mit einem Gefühl des Ekels zog er seine Klinge aus dem mächtigen Kadaver und wischte das Blut an dem bleichen Fell ab. Dann rannte er zurück die Stufen hinauf, um seinen Platz auf der Mauer wieder einzunehmen.
Zum erstenmal bemerkte er jetzt den Gestank. Es war ein ausgesprochener Hundegeruch nach nassem, schmutzigen Fell, aber von einer überwältigenden, unnatürlichen Intensität. Der beißende Nebel in Augen und Kehlen und der Gestank in den Nasen machte den Verteidigern schwer zu schaffen. An verschiedenen Stellen kämpften jetzt bereits Hunde auf den Mauern. Vier Krieger lagen mit zerfleischten Kehlen im Wehrgang, daneben zwei tote Hunde. Einem war der Kopf abgeschlagen.
Corum fühlte erste Erschöpfung und nahm an, daß es den anderen nicht besser erging. In einer gewöhnlichen Schlacht hätte man mit gutem Recht auch beim Gegner auf baldige Ermüdungserscheinungen rechnen können. Aber sie kämpften nicht gegen Menschen, sondern gegen Tiere. Und diese Tiere hatten die Elemente zu Verbündeten.
Ein Hund sprang über die Brustwehr und landete neben Corum im Wehrgang. Das Tier keuchte und hechelte, seine Augen rollten, seine Zunge hing heraus und von seinen
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