Corum 04 - Das kalte Reich
dazu nicht stark genug. Diese Insel ist physikalisch noch ein Bestandteil meiner eigenen Ebene. Hier kann ich in Frieden leben, wenn man von den Hunden absieht. Ich bin alt. In einigen hundert Jahren werde ich sterben.«
»Auch ich bin schwach«, entgegnete Corum. »Und doch stelle ich mich dem Kampf mit den Fhoi Myore.«
Goffanon nickte, dann zuckte er die Achseln. »Das tust du, weil du nie zuvor gegen die Fhoi Myore gekämpft hast.«
»Warum können sie nicht nach Hy-Breasail kommen? Warum kehrt kein Mabde von dieser Insel zurück?«
»Ich versuche, die Mabden von hier fernzuhalten«, erklärte Goffanon, »aber sie sind eine penetrant neugierige kleine Rasse. Ihr unerschöpflicher Wagemut bringt ihnen immer wieder einen schlimmen Tod. Aber ich will dir mehr erzählen, wenn wir gegessen haben. Willst du mein Gast sein, Vetter?«
»Gern«, dankte Corum.
»Dann komm.«
Goffanon kletterte den Felsen hinauf, stieg um den Steinbrokken herum, auf dem er sich den Hunden des Kerenos gestellt hatte, und war verschwunden. Sein Kopf tauchte aber sofort wieder auf. »Hier entlang. Seit die Hunde begonnen haben mir nachzustellen, lebe ich hier oben.«
Corum kletterte dem Sidhi langsam nach und erreichte das Felsband, das um den Steinbrocken herumführte. Als er ihm folgte, entdeckte er, daß der Brocken den Eingang einer Höhle verbarg. Das Felsstück konnte in eine Mulde gerollt werden und den Höhleneingang dann vollständig schließen. Als Corum eingetreten war, stemmte Goffanon sich gegen den Brocken und zog ihn vor die Höhle. Drinnen war alles hell erleuchtet. Das Licht kam aus geschickt angeordneten Lampen, die überall in Wandnischen standen. Das Mobiliar wirkte einfach, aber zeugte von großem handwerklichem Können. Kunstvoll gewebte Teppiche bedeckten den Boden. Wenn man vom Fehlen der Fenster absah, war Goffanons Behausung mehr als komfortabel.
Während Corum sich eine Rast in einem Sessel gönnte, machte sich Goffanon daran, ein Mahl vorzubereiten. Der Duft, der bald von der Feuerstelle aufstieg, war so verlockend, daß Corum nicht mehr bedauerte, auf den Fischfang verzichtet zu haben.
Goffanon entschuldigte sich, daß seine Tafel so karg sei, aber er lebe nun schon seit Jahrhunderten allein. Dann setzte er Corum eine große Schale mit Suppe vor. Der Vadhagh-Prinz aß dankbar.
Danach folgten Fleisch und eine Gemüseplatte. Den Abschluß bildete ein wohlschmeckendes Obst, besser als alles, was Corum je gegessen hatte. Als er sich schließlich in seinem Sessel zurücklehnte, fühlte er sich so gut wie schon seit Jahren nicht mehr. Er dankte Goffanon aus vollem Herzen, und der selbsternannte Zwerg schien von der Zufriedenheit seines Gastes regelrecht begeistert zu sein. Er entschuldigte sich noch einmal und nahm dann in einem Sessel gegenüber Corum Platz. Aus seinem Gewand zog er einen seltsamen Gegenstand, den er in den Mund nahm. Es war eine Art kleiner Becher, aus dem ein langes, dünnes Rohr ragte. An dem Rohr saugte Goffanon, während er über die Öffnung des Bechers einen brennenden Holzspan hielt. Sofort quollen aus dem Becher und seinem Mund kleine Rauchwolken, und der Sidhi lächelte zufrieden. Erst jetzt bemerkte er, daß Corum ihn verwundert anstarrte. »Eine Angewohnheit meines Volkes«, erklärte er. »In diesem Ding befindet sich ein aromatisches Kraut, das verbrannt wird, und dessen Rauch wir inhalieren. Es hält uns bei guter Laune.«
Der Rauch war für Corums Geschmack nicht besonders süß oder wohlriechend, aber er akzeptierte die Erklärung des Sidhi. Das Angebot, selbst aus einem solchen Gerät zu inhalieren, lehnte er allerdings ab.
»Du fragtest«, nahm dann Goffanon das Gespräch wieder auf, wobei seine mandelförmigen Augen sich halb schlossen, »warum die Fhoi Myore diese Insel fürchten, und warum die Mabden hier zugrunde gehen. Nun, für beides bin ich selbst nicht direkt verantwortlich, auch wenn ich natürlich froh bin, daß die Fhoi Myore die Insel meiden. Vor langer Zeit, während dem ersten Einfall der Fhoi Myore, wurden wir von unseren Vadhaghvettern und deren Freunden zu Hilfe gerufen. Es bereitete uns damals große Schwierigkeiten, den Wall zwischen den Ebenen zu durchbrechen. Als es uns endlich gelang, wurde davon ein gewaltiger Riß in unserer eigenen Welt erzeugt, und ein Stück unseres Landes kam mit uns durch die Dimensionen auf euere Welt. Dieses Landstück legte sich glücklicherweise über eine relativ dünn besiedelte Gegend von Lwym-an-Esh. Aber es behielt
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