Corum 04 - Das kalte Reich
wach zu bleiben.
Und dann fragte er sich, ob sein Alptraum noch andauerte, denn in der Ferne klang ein vertrauter Laut auf, das Gebell der Hunde des Kerenos. Waren sie ihm zu dieser Insel gefolgt und hatten dabei viele Meilen offenes Meer durchschwommen? Oder warteten sie schon in Hy-Breasail auf ihn? Seine Hand faßte zu dem geschmückten Horn an seinem Gürtel, als das Gebell und Geheul jetzt näher klang. Er suchte das Land mit scharfen Blikken ab, aber er entdeckte nur eine aufgescheuchte Herde Rotwild, die von einem großen Hirsch geführt, über eine Wiese in den Schutz eines Waldes floh. Verfolgten die Hunde diese Herde? Nein. Es tauchten keine Hunde auf.
Dafür sah Corum etwas anderes, das sich am Fuß des gegenüberliegenden Hügels bewegte. Zunächst hielt er es für einen zweiten Hirsch, aber dann erkannte er, daß es auf zwei Beinen in eigenartigen, weiten Schritten lief. Es war schwer, groß und trug etwas in der Hand, das in der Sonne blitzte. Ein Mann?
Zwischen den Bäumen hinter dem Mann entdeckte Corum etwas Weißes. Dann noch etwas Weißes. Und dann brach aus dem Wald eine Meute von zwölf großen Hunden mit roten Ohren. Die Hunde verfolgten eine Beute, die ihnen vertrauter war als jeder Hirsch.
Der Mann falls es ein Mann war begann, dem Lauf eines Baches folgend, den steinigen Hang des Hügels zu erklettern. Aber auch auf dem felsigen Grund blieben die Hunde ohne Zögern auf seiner Spur. Der Hang wurde steiler, aber der Mann kletterte weiter und die Hunde folgten ihm. Corum mußte die Beweglichkeit und Ausdauer der Bestien einfach bewundern. Wieder blitzte etwas in der Sonne. Corum erkannte, daß der Mann sich umgedreht hatte und eine schimmernde Waffe gegen seine Verfolger schwang. Für Corum stand außer Zweifel, daß das Opfer der Hunde sich nicht lange würde halten können.
Erst in diesem Augenblick dachte der Vadhagh wieder an sein Horn. Hastig hob er es an die Lippen und blies in schneller, Folge drei lange Töne. Der Klang des Hornes schallte klar und scharf durch das Tal. Die Hunde wandten sich von ihrer Beute ab und begannen schnüffelnd im Kreis zu laufen, obwohl ihr Opfer leicht für sie zu erreichen war.
Dann rannten die Hunde des Kerenos davon. Corum lachte begeistert. Zum erstenmal hatte er einen Sieg über die schreckliche Meute errungen.
Bei diesem Lachen schien der Mann auf der anderen Seite des Tales aufzusehen. Corum winkte ihm zu, aber der Fremde winkte nicht zurück.
Sobald die Hunde verschwunden waren, begann Corum den Hügel hinunterzulaufen und dem Mann entgegen, dem er geholfen hatte. Er brauchte nicht lange bis er das Tal durchquert hatte und auf der anderen Seite mit dem Aufstieg begann. Er fand schnell den Wasserlauf und die Felsformation, an der der Fremde sich den Hunden entgegenstellen wollte, aber der Mann selbst war nirgendwo zu sehen. Doch er konnte auch nicht höher geklettert oder hinabgestiegen sein, war sich Corum sicher, denn während des Laufs hatte der Vadhagh ständig freie Sicht auf den Hang gehabt.
»Ho! Wo seid Ihr?« schrie der scharlachrote Prinz und schwang sein Horn. »Zeigt Euch, Kamerad!«
Nur das Rauschen des Wasserfalls antwortete ihm. Er starrte um sich, musterte jeden Stein, jeden Busch, jeden Schatten, doch der Mann schien unsichtbar geworden zu sein.
»Wo versteckt Ihr Euch, Fremder?«
Nur ein fernes Echo hallte, das von dem über die Steine sprudelnden Wasser schnell verschluckt wurde.
Corum zuckte die Achseln und wandte sich ab. Welche Ironie, dachte er, daß hier offenbar die Menschen scheuer sind als die Tiere.
Und dann erhielt er plötzlich wie aus dem Nichts einen heftigen Schlag in den Rücken, der ihn mit vorgestreckten Armen in die Heide stürzen ließ.
»Fremder, he?« knurrte eine tiefe, aufgebrachte Stimme. »Einen Fremden nennt Ihr mich, he?«
Corum rollte sich über die Schulter ab und versuchte noch im Fall, sein Schwert aus der Scheide zu ziehen.
Der Mann, der ihn geschlagen hatte, war breit gebaut. Er mußte gut zweieinhalb Meter groß sein, und an den Schultern halb so breit wie hoch. Er trug einen polierten eisernen Brustschutz, eiserne Beinschienen mit goldenen Verzierungen und einen eisernen Helm auf seinem schwarzbärtigen Haupt. In seinen monströsen Händen hielt er die größte Streitaxt, die Corum je gesehen hatte.
Taumelnd kam Corum hoch und riß seine Klinge heraus. Er vermutete hier den Mann vor sich zu haben, den er eben gerettet hatte. Aber der riesenhafte Kerl empfand offensichtlich keine
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