Corum 04 - Das kalte Reich
halb im Sattel schlafend, ohne auf Schneeverwehungen zu achten. Und sein Pferd ließ sich immer schwerer durch den Schnee treiben.
Einmal gegen Abend sah er eine Reihe von Gestalten in einiger Entfernung. Nebel umwehte die Gestalten, während sie auf riesigen Streitwagen fuhren oder daneben marschierten. Fast hätte Corum, versucht sie anzurufen, bis er erkannte, daß er keine Mabden vor sich hatte. Waren das die Fhoi Myore auf ihrem Zug gegen Caer Mahlod?
Mehrmals hörte er während seines Ritts ein fernes Heulen, und er schloß daraus, daß die Jagdmeuten, die Hunde des Kerenos, ihn suchten. Sicher war Hew Argech zu seinen Herren zurückgekehrt und hatte ihnen von Corum und dem Speer Bryionak erzählt, der in die silberne Hand zurückgeflogen war.
Caer Mahlod schien noch immer weit zu sein, und die Kälte nagte an Corums Körper wie ein Wurm, der sich von seinem Blut nährte.
Seit er hier zuletzt vorbeigekommen war, mußte noch mehr Schnee gefallen sein, denn die vertrauten Wegzeichen waren kaum noch zu erkennen. Dieser Umstand und seine zuneh.mende Schneeblindheit machten es ihm immer schwerer, den richtigen Weg zu finden. Er hoffte, daß sein Pferd zurück nach Caer Mahlod finden mochte, und verließ sich ganz auf den Instinkt des Tieres.
Während die Erschöpfung ihn zu überwältigen begann, versank er in tiefster Verzweiflung. Warum hatte er nicht auf Goffanon gehört und verbrachte seine Tage auf der friedlichen Insel Hy-Breasail? Was schuldete er diesen Mabden? Hatte er nicht oft genug in Mabdenschlachten gefochten? Was hatte ihm dieses Volk denn gegeben?
Und dann erinnerte er sich. Sie hatten ihm Rhalina gegeben.
Und er erinnerte sich an Medheb, König Mannachs Tochter. Die rothaarige Medheb in ihrer Rüstung, mit der Schleuder und dem Tathlum, die darauf wartete, daß er Rettung für Caer Mahlod brachte.
Dieser Gedanke hielt ihn aufrecht, wärmte ihn ein wenig, trieb die Verzweiflung an den Rand seines Bewußtseins zurück und ließ ihn weiterreiten. Er ritt für Caer Mahlod, die Feste auf dem Hügel, und für alle, deren letzte Hoffnung er war.
Aber Caer Mahlod schien nie näher zu kommen. Jahre schienen schon vergangen zu sein, seit er die Fhoi Myore am Horizont gesehen und das Heulen der Hunde gehört hatte. Vielleicht war Caer Mahlod längst gefallen, würde er Medheb zu Eis erstarrt finden wie jene, die er neben dem See gesehen hatte.
Ein neuer Morgen brach an. Corums Pferd kam jetzt nur noch langsam voran. Manchmal stolperte es, als fing sich sein Huf an einer verborgenen Wurzel. Sein Atem ging schwer. Corum wäre abgestiegen, um dem Tier etwas von seiner Last zu nehmen, aber er hatte weder die Kraft noch die Energie dazu. Er begann zu bedauern, daß er Calatin seinen scharlachroten Mantel gegeben hatte. Gerade die zusätzliche Wärme des dünnen Vadhagh-Mantels fehlte ihm jetzt. Wußte Calatin, was hier auf den Vadhagh wartete? Hatte er deshalb den Mantel erbeten? Ein Akt der Rache?
Er hörte etwas. Er hob seinen schmerzenden Kopf und starrte mit seinen entzündeten, blutunterlaufenen Augen um sich. Gestalten stellten sich ihm in den Weg. Ghoolegh! Er versuchte, sich im Sattel aufzurichten und sein Schwert zu ziehen.
Den Speer Bryionak schwingend, einen krächzenden Kampfschrei auf den halberfrorenen Lippen, zwang er sein Pferd zum Galopp.
Und dann brachen die Vorderbeine des Tieres ein, es stürzte und warf Corum über seinen Kopf. Den Schwertern seiner Feinde ausgeliefert, blieb der Vadhagh im Schnee liegen.
Aber er würde den Schmerz ihrer Hiebe nicht mehr spüren, dachte Corum, als er das Bewußtsein verlor, und von einem Gefühl des Vergessens und der Wärme überschwemmt wurde.
Er lächelte und ließ die Dunkelheit über sich kommen.
III
Die Eis-Phantome
Er träumte, daß er ein großes Schiff über eine Unendlichkeit aus Eis segelte. Das Schiff lief auf Kufen und hatte fünfzig Segel. Wale und andere seltsame Geschöpfe bevölkerten das Eis. Dann segelte er nicht mehr mit dem Schiff, sondern fuhr in einem Streitwagen, der von Bären unter einem fremden, dumpfen Himmel gezogen wurde. Auch hier war überall Eis. Welten, die ausgebrannt waren. Alte, tote Welten im Endstadium der Entropie. Das Eis herrschte überall glattes, schimmerndes Eis. Eis, das allem, was sich regte, den Tod brachte. Eis, das Symbol des endgültigen Todes war, des Todes eines ganzen Universums. Corum stöhnte im Schlaf.
»Er muß es sein, von dem ich gehört habe.« Die Stimme war weich, aber
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