Corum 05 - Der gefangene König
läßt er sich jetzt soviel Zeit?«
»Vielleicht beobachtet er uns. Vielleicht will er herausfinden, was wir mit diesem Ritt vorhaben«, vermutete Jhary. »Mit solchen Informationen ist er vielleicht bei seinem Herren besonders willkommen.«
»Wenn die Fhoi Myore überhaupt irgend jemand willkommen heißen. Sie haben keine wirklichen Verbündeten. Es gibt nur einige, die nicht anders können, als den Fhoi Myore zu dienen unter ihnen die auferstandenen Toten. Für diese Unglücklichen gibt es keine Wahl mehr.«
»Können die Fhoi Myore tatsächlich die Toten auferstehen lassen?«
»Unter diesen sechs ist einer, der meines Wissens Rhannon genannt wird. Rhannon bläst kalten Odem in die Münder der Toten und bringt sie zum Leben. Er küßt die Lebenden und haucht ihnen den Tod ein. Das ist die Legende. Aber nur wenige wissen etwas über die Fhoi Myore. Selbst die Fhoi Myore dürften kaum wissen, was sie tun und warum sie auf dieser Ebene sind. Einst wurden sie schon einmal von den Sidhi vertrieben, die selbst nicht aus dieser Ebene waren und dem Volk von Lywman-Esh zu Hilfe kamen. Aber mit dem Niedergang der Sidhi wuchs die Macht der Fhoi Myore erneut, zunächst im Verborgenen, bis sie dann wieder an den Küsten landeten und ihren Eroberungszug begannen. Ihre Krankheit muß sie über kurz oder lang umbringen. Soweit ich weiß, können wenige das nächste Jahrtausend überleben. Und wenn auch die Fhoi Myore vergangen sind, wird diese ganze Welt tot sein.«
»Es scheint mir«, bemerkte Jhary-a-Conel, »wir könnten einige Sidhi-Verbündete gebrauchen.«
»Der einzige, den ich kenne, heißt Goffanon und ist des Kampfes müde. Er akzeptiert, daß die Welt dem Untergang geweiht ist und daß nichts, was er tun kann, diesen Untergang aufhalten würde.«
»Da könnte er recht haben«, kommentierte Jhary mitfühlend.
Er sah seinen Begleiter plötzlich scharf an.
Corum hob den Kopf. Er drehte ihn unruhig von der einen Seite zur anderen, das Gesicht verzogen.
Jhary war überrascht. »Was ist los?«
»Hört Ihr es nicht?« Corum wandte sich zu den Hügeln zurück, von denen sie gekommen waren.
Er konnte es jetzt deutlich hören melancholisch, wild, manchmal fast spöttisch. Das Saitenspiel einer Harfe.
»Wer sollte hier spielen? Und was sollte das für eine Musik sein?« murmelte Jhary. »Außer einer Totenklage.« Er lauschte wieder. »Und es klingt wirklich, als könne es eine Totenklage sein.«
»Aye«, bestätigte Corum grimmig. »Ein Grabgesang für mich. Ich habe diese Harfe schon mehr als einmal gehört, seit ich in diese Zeit gekommen bin, Jhary. Und man hat mir gesagt, daß ich eine Harfe fürchten muß.«
»Schön ist es jedenfalls«, meinte Jhary.
»Man hat mir auch gesagt, daß ich Schönheit fürchten muß«, berichtete Corum. Er konnte die Quelle der Musik wieder nicht entdecken. Er bemerkte, daß er zitterte. Mühsam riß er sich zusammen und trieb sein Pferd vorwärts. »Dann hat man mir noch gesagt«, fuhr er fort, »daß ich von einem Bruder erschlagen werde.«
Aber als Jhary mehr darüber erfragen wollte, wich Corum aus und sprach nicht weiter über dieses Thema. Einige Meilen ritten sie schweigend nebeneinander, bis sie aus dem Tal heraus waren und an den Rand einer weiten Hochebene gelangten.
»Die Ebene von Craig Don«, sagte Corum. »Das muß sie sein. Die Mabden halten sie für einen heiligen Ort. Wir haben jetzt gut den halben Weg nach Caer Llud hinter uns, denke ich.«
»Und sind mitten im Land der Fhoi Myore«, fügte Jhary-a-Conel wenig begeistert hinzu.
Als sie am Rand der Ebene standen, raste plötzlich ein Wirbelsturm von Westen nach Osten über die Ebene und legte sich ebenso plötzlich wieder. Er hatte frischen Schnee über die Ebene gebreitet wie eine Frau ein frisches Laken über ein Bett.
»Darin werden unsere Spuren gut zu sehen sein«, stellte Jhary fest.
Corum sah sinnend dem eigenartigen Windphänomen nach. Über der Ebene war die Sonne völlig von Wolken verdeckt, die unablässig durcheinander wirbelten und ihre Form ständig wechselten.
»Das erinnert mich irgendwie an das Reich des Chaos«, erklärte Jhary ihm. »Und ich habe gehört, daß solche in Eis erstarrten Landschaften das endgültige Stadium von Welten under der Herrschaft der Lords der Entropie sind. Das ist es, was am Ende bei ihrer verschwenderischen Vielfalt herauskommt. Aber ich spreche schon wieder von anderen Welten und anderen Helden - besser gesagt, von anderen Träumen. Sollen wir riskieren, auf
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