Corum 06 - Das gelbe Streitross
»Vielleicht war Eure Logik nur zu verwickelt und Eure Vernunft zu beschränkt, Freund Corum?« wandte er ruhig ein.
»Mag sein.« Corum seufzte und machte sich auf den Weg, Jung Fean zu folgen. Kurz vor dem Ausgang hielt er plötzlich inne, neigte den Kopf zur Seite und lauschte angespannt. »Hört Ihr es auch?«
Ilbrec lauschte. »Hier im Lager gibt es eine Menge zu hören.«
»Ich dachte, ich hätte eine Harfe spielen gehört.«
Ilbrec schüttelte den Kopf. »Pfeifen in einiger Entfernung.
Aber keine Harfe.« Dann runzelte er die Stirn und lauschte wieder. »Möglich, da ist ganz weit weg etwas, das nach den Saiten einer Harfe klingt. Nein.« Er lachte. »Ihr redet mir nur ein, es zu hören, Corum.«
Aber Corum wußte, daß er die Dagdagh-Harfe gehört hatte, wenn auch nur einige Herzschläge lang. Und er war wieder zutiefst beunruhigt. Er sagte nichts mehr davon zu Ilbrec, sondern verließ das Zelt. Während er durch das Lager ging, hörte er eine ferne Stimme nach ihm rufen:
»Corum! Corum!«
Er drehte sich um. Hinter ihm lagerte eine Gruppe von Kriegern in Kilts, die sich unterhielten und eine Flasche herumgehen ließen. Im Hintergrund sah Corum jetzt Medheb über das Gras laufen. Es war Medheb, die er gehört hatte.
Sie rannte um die Gruppe der Krieger herum und blieb einen Schritt vor Corum stehen. Zögernd streckte sie einen Arm nach ihm aus und berührte seine Schulter. »Ich habe dich in unseren Gemächern gesucht«, sagte sie zärtlich, »aber du warst fort. Wir dürfen keinen Streit zwischen uns aufkommen lassen, Corum.«
Sofort verbesserte sich Corums Stimmung, und er lachte und umarmte sie, ohne auf die Krieger zu achten, die jetzt auf das Paar aufmerksam geworden waren.
»Wir wollen uns nicht mehr streiten«, sagte er. »Es war meine Schuld, Medheb.«
»Niemand und nichts ist schuld. Nur das Schicksal ist für alles verantwortlich.«
Sie küßte ihn. Ihre Lippen waren warm. Sie waren weich. Er vergaß all seine Ängste.
»Welche große Macht Frauen doch haben«, meinte er. »Ich habe gerade mit Ilbrec über Magie gesprochen, aber die größte Magie ist der Kuß einer Frau.«
Sie täuschte Erstaunen vor. »Ihr werdet sentimental, Sir Sidhi.«
Und wieder hatte er für einen winzigen Augenblick das Gefühl, daß sie sich irgendwie von ihm zurückzog.
Dann lachte sie und küßte ihn noch einmal. »Fast so sentimental wie Medheb.«
Hand in Hand wanderten sie durch das Lager und winkten denen zu, die sie erkannten, und denen, von denen sie erkannt wurden.
An einem Ende des Lagers waren mehrere Waffenschmieden errichtet. In den Essen röhrten die Flammen, von Blasebälgen unermüdlich entfacht. Die Hämmer dröhnten auf dem Amboß. Große, schwitzende Männer in ledernen Kitteln schoben Eisen in die Flammen und zogen sie weißglühend wieder heraus. Über ihnen waberte die Luft von der Hitze. Und mitten unter den Arbeitenden stand Goffanon, der ebenfalls eine lederne Schürze trug. Er hielt einen schweren Hammer in der einen Hand und eine Zange in der anderen. Goffanon war in ein Gespräch mit einem Mann vertieft, den Corum als den Meisterschmied Hisak erkannte. Hisaks Beiname war Sonnendieb, denn man sagte ihm nach, er habe die Glut der Sonne gestohlen und seine leuchtenden Klingen daraus geschmiedet. In der Esse, neben der die beiden standen, wurde gerade ein Stück Metall erhitzt. Während ihres Gespräches beobachteten Goffanon und Hisak dieses Stück aufmerksam. Ganz offensichtlich war dieses Stück auch der Gegenstand ihrer Unterhaltung.
Corum und Medheb sprachen die beiden nicht an, sondern stellten sich neben sie und hörten zu.
»Noch sechs Herzschläge weiter«, hörten sie Hisak sagen, »und es wird fertig sein.«
Goffanon lächelte. »Sechs und einen viertel Herzschlag, glaubt mir, Hisak.«
»Ich glaube Euch, Sidhi. Ich habe gelernt, Eurer Weisheit und Eurer Kunstfertigkeit zu vertrauen.«
Schon langte Goffanon mit seiner Zange in die Flammen. Mit einer seltsam anmutenden Sanftheit griff er das Metall und zog es rasch aus der Glut. Seine Augen waren mit höchster Konzentration auf das Eisen gerichtet. Seine Blicke wanderten daran auf und ab. »Es ist richtig«, sagte er.
Hisak musterte ebenfalls eindringlich das weißglühende Metall und nickte. »Es ist richtig.«
Goffanons Lächeln hatte schon fast etwas Entrücktes an sich, als er sich halb umwandte und Corum erblickte. »Aha, Prinz Corum. Du könntest in keinem besseren Augenblick kommen. Sieh her!« Er hielt das
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