Corum 06 - Das gelbe Streitross
proportioniert.
Ilbrec grinste Corum zu und begann wieder sein Schwert zu schärfen.
»Ihr seht bedrückt aus, Freund.«
Corum durchquerte das Zelt und stellte sich neben Ilbrecs Helm. Er fuhr mit seiner Hand aus Fleisch und Blut langsam über die wunderbar gearbeitete Bronze. »Vielleicht sind es Vorahnungen meines Verderbens«, sagte er zu Ilbrec.
»Aber Ihr seid doch unsterblich, Prinz Corum.«
Corum wandte sich dieser neuen Stimme zu, die noch jünger klang als die Ilbrecs.
Ein Jüngling von nicht mehr als vierzehn Sommern hatte das Zelt betreten. Corum erkannte ihn als König Fiachadhs jüngsten Sohn, der von allen Jung Fean genannt wurde. Jung Fean sah seinem Vater vom Gesicht her ähnlich; aber wo der Körper seines Vaters grobschlächtig wirkte, war Jung Feans Gestalt feingliederiger und hübscher. Sein Haar war so rot wie das seines Vaters, und in seinen Augen schimmerte fast immer etwas von Fiachadhs Humor. Er lächelte Corum zu. Und Corum dachte, wie immer, wenn er ihm begegnete, daß es auf der ganzen Welt kein Wesen gab, das mehr Charme besaß als dieser junge Krieger, der sich bereits als einer der klügsten und geschicktesten Kämpfer des ganzen Lagers erwiesen hatte.
Corum lachte. »Schon möglich, Jung Fean, aye. Aber dieser Gedanke allein kann mich irgendwie nicht recht beruhigen.«
Jung Feans Lächeln erlosch für einen Augenblick. Er schlug seinen leichten Mantel aus orangefarbenem Samit zurück und nahm seinen glatten stählernen Helm ab. Er schwitzte. Ganz offensichtlich kam er gerade von seinen Waffenübungen.
»Ich kann Eure Sorgen verstehen, Prinz Corum.« Er verbeugte sich leicht in Ilbrecs Richtung, der hocherfreut schien, ihn zu sehen. »Seid gegrüßt, Lord Sidhi.«
»Seid gegrüßt, Jung Fean. Kann ich irgend etwas für Euch tun?« Ilbrec fuhr fort, Vergelter mit weit ausholenden, regelmäßigen Bewegungen zu schleifen.
»Nichts, ich danke Euch. Ich wollte nur mit Euch sprechen.« Jung Fean zögerte, dann setzte er den Helm wieder auf. »Aber ich sehe, daß ich Euer Gespräch störe.«
»Nicht im geringsten«, versicherte ihm Corum. »Wie sieht es Euerer Meinung nach mit unseren Männern aus?« »Sie sind alle gute Kämpfer. Es gibt keinen, der sein Handwerk nicht beherrscht. Aber es sind wenige, scheint mir«, erwiderte Jung Fean.
»In beidem muß ich Euch zustimmen«, sagte Ilbrec. »Ich dachte gerade über dieses Problem nach, während ich hier saß.«
»Ich habe mich auch schon damit beschäftigt«, erklärte Corum.
Eine lange Pause trat ein.
»Aber es gibt nirgendwo einen Platz, an dem wir noch mehr Krieger anwerben können«, meinte Jung Fean und warf Corum einen Blick zu, als hoffte er, daß Corum ihm wiedersprechen würde.
»Den gibt es in der Tat nirgendwo«, entgegnete Corum.
Er bemerkte, daß Ilbrec sich nicht äußerte und die Stirn runzelte.
»Es gibt einen Platz, von dem ich gehört habe«, begann Ilbrec schließlich. »Lange ist es her. Damals war ich jünger, als Jung Fean es heute ist. Ein Ort, an dem Verbündete der Sidhi zu finden sein können. Aber ich habe auch gehört, daß dies ein sehr gefährlicher Ort ist, selbst für einen Sidhi, und daß diese Verbündeten nicht sehr verläßlich sind. Ich werde mich nachher deswegen mit Goffanon besprechen und ihn fragen, ob er mehr darüber weiß.«
»Verbündete?« Jung Fean lachte. »Übernatürliche Verbündete? Wir können jeden Verbündeten gebrauchen, wie unbeständig er auch sein mag.«
»Ich werde mit Goffanon sprechen«, wiederholte Ilbrec und wandte sich wieder seinem Schwert zu.
Jung Fean veabschiedete sich. »Ich werde nichts darüber sagen«, erklärte er ihnen. »Und ich nehme an, daß wir uns alle heute nacht beim Fest sehen.«
Nachdem Jung Fean gegangen war, sah Corum Ilbrec fragend an, aber der goldhaarige Riese gab vor, völlig mit dem Schleifen seines Schwertes beschäftigt zu sein und wich Corums Blicken ständig aus.
Corum rieb sich das Gesicht. »Ich erinnere mich einer Zeit, als ich schon über die Vorstellung, magische Kräfte könnten in dieser Welt am Werke sein, laut gelacht hätte«, sagte er.
Ilbrec nickte abwesend, als wenn er gar nicht richtig mitbekommen hätte, was Corum gerade gesagt hatte.
»Aber nun bin ich soweit, daß ich mich auf solche Dinge gerne verlasse.« Ironie stand in Corums Augen. »Ich muß mich schon darauf einlassen, an so etwas zu glauben. Ich habe meinen Glauben an die Logik und die Macht der Vernunft verloren.«
Ilbrec sah von seiner Arbeit auf.
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