Corum 06 - Das gelbe Streitross
oben.
»Ilbrec«, rief er. »Drachen.«
Es waren tatsächlich Drachen, ein gutes Stück größer als die Riesenadler aus den nördlichen Bergen Bro-an-Mabdens. Und diese Drachen hatten ganz offensichtlich vor, sich auf die beiden Reiter in Zaubermähnes Sattel zu stürzen.
Corum schob seine Füße unter die Sattelgurte, damit der Wind ihn nicht vom Rücken des Pferds riß. Mit einigen Schwierigkeiten gelang es ihm dann, seinen Bogen schußbereit zu machen. Er legte den Pfeil gegen die Sehne, spannte und zielte am Pfeil entlang. Er versuchte den Wind so gut wie möglich mit einzukalkulieren und schoß. Er hatte auf den Drachen gezielt, der ihnen am nächsten war. Der Pfeil verfehlte den Körper der Bestie, durchbohrte aber ihren Flügel. Der Drachen kreischte, wand sich in der Luft und schnappte mit den Zähnen nach dem Pfeil. Dann begann die Bestie zu fallen, richtete ihren Flug noch einmal aus, aber trudelte dann schließlich sich überschlagend in die dunklen Wasser, wo die anderen Reptilien sie erwarteten. Corum schoß zwei weitere Pfeile ab, doch beide verfehlten ihr Ziel.
Ein Drachen kam jetzt dicht heran, flatterte über Ilbrecs Kopf und biß nach dem Schild, mit dem der Sidhi versuchte, sich zu schützen. Er hieb mit Vergelter nach dem Leib des Ungeheuers. Zaubermähne scheute, rollte mit den Augen und stellte sich wiehernd auf die Hinterbeine. Die Brücke bebte unter den Hufen des mächtigen Tieres. Ein frischer Riß erschien, und am Rand brach ein Stück ab. Das Pferd beruhigte sich wieder, aber Corum fühlte wie sich ihm der Magen umdrehte, als das Mauerwerk neben ihm in die Teife stürzte. Er schoß wieder, und diesmal traf sein Pfeil einen Drachen in deHals. Doch jetzt waren sie von ledernen Schwingen umgeben. Scharfe Zähne schnappten nach ihnen, und Klauen, die fast wie menschliche Hände wirkten, hieben auf sie ein. Corum mußte seinen Bogen fallen lassen und das namenlose Schwert, Goffanons Geschenk, ziehen. Von dem silberigen Licht, das von der Klinge ausging, halb geblendet, lies er das wundervoll ausbalancierte Schwert um sich kreisen. Er fühlte, wie die Klinge in kaltes Fleisch schnitt. Verwundete Drachen taumelten um Zaubermähnes Beine, und aus dem Augenwinkel sah Corum, drei über den Rand der Brücke stürzen. Und Corum sah, daß Ilbrecs goldenes Schwert vom Blut der Drachen triefte, und Corum hörte die Stimme des Jünglings ein Sidhi-Lied singen (denn die Sidhi sangen, wenn sie sich ihrem Tod gegenübersahen):
Gen Osten haben wir gekämpft; Furchtlos war unser Feind. Es schlugen die Sidhi fünfzig Schlachten, Die Waffen rot von Blut. Nichts brach der Kämpfer Mut. Nichts brach der Kämpfer Mut.
Corum fühlte, wie sich etwas auf seiner Schulter niederließ und kalte Klauen seine Haut berührten. Mit einem Aufschrei hieb er hinter sich, und die Klinge fuhr durch hornige Schuppen. Ein Drachen keuchte und spie sein Blut über Corums silbernen Helm. Der Vadhagh konnte sich gerade noch rechtzeitig den beißenden Saft von den Augen wischen, um sein Schwert in einen anderen Drachen zu stoßen, der mit ausgestreckten Klauen auf Ilbrecs ungeschützten Kopf herunterstieß. Und Ilbrec sang weiter:
Wenn des Kämpfers Leib zu Erde wird,
Laßt es vertraute Erde sein,
Daß Helden unser Grab besingen,
Ein Sidhi-Grab in Sidhi-Erde,
Nicht Rabenfraß in fremdem Land,
Nicht Rabenfraß in fremdem Land.
Corum verstand, was Ilbrecs Lied ausdrückte, denn auch ihm selbst behagte die Vorstellung nicht, sein Leben im Kampf mit diesen hirnlosen Kreaturen zu verlieren und an einem namenlosen Ort zu enden; ein Ende, von dem nie jemand etwas erfahren würde.
Schließlich hatten sie fast die Hälfte der Drachen erschlagen oder so verwundet, daß sie kampfunfähig waren. Doch die Bewegungen des großen Sidhi-Streitrosses, das mit seinen Hufen auf die am Boden kriechenden Drachen einschlug, ließen immer mehr Risse in dem brüchigen Mauerwerk der Brücke entstehen. Wenige Schritte vor ihnen weitete sich einer der Risse zu einem bedrohlichen Loch. Durch diese weitere Gefahr einen Augenblick abgelenkt, übersah Corum einen heranrauschenden Drachen. Die Bestie schlug ihre Klauen in Corums Schulter und schnappte nach seinem Gesicht. Mit einem erschöpften Stöhnen riß er seinen Schild hoch und rammte ihn dem Untier in die weiche Unterseite. Gleichzeitig stach er mit seinem namenlosen Schwert nach dem Hals der Bestie. Die Klauen des Drachen lösten sich, und das Reptil stürzte auf die Brücke. In diesem Moment
Weitere Kostenlose Bücher