Coruum Vol. 1
abzuwenden. Ich verstand erst nicht, was er meinte. Das verblüffte Grunzen von Syncc Marwiin versicherte mir, dass er von der Laune der Natur ebenso überrascht war wie ich.
Die Wundränder der Brustverletzung veränderten sich. Das Vertrocknen einer Blume im Zeitraffer oder das Verbrennen von Papier ähnelte dem Prozess, der dort in rasender Geschwindigkeit vor unseren Augen ablief. Das verletzte Fleisch und die Haut unter dem Fell kräuselten sich und begannen sich aufzulösen.
Die aus der Brust ragenden Knochen zerfielen zu Staub, wie ein in reinem Sauerstoff verglimmender Zweig. Alles wurde sofort durch neue Zellen ersetzt.
Innerhalb von ein paar Minuten war an den Stellen der zwei schweren Verletzungen nur noch blasse, kahle Haut zu sehen. Feines Fell spross bereits hervor.
Seine Weisheit erhob sich, wobei er sich kurz auf meiner Schulter abstützte. Ich half ihm hoch und wir traten ein paar Schritte zurück.
Syncc Marwiin folgte uns.
»Das ist ein Mesto-Quok, Siir«, erklärte Hud Chitziin, »das faszinierendste Tier, das ich kenne.« Er flüsterte ehrfurchtsvoll, und warf mir einen erwartungsvollen Blick zu.
»Bezogen auf seine Jagdstrategie ist es das dümmste Tier, das ich kenne«, erwiderte ich, ohne seinem Blick auszuweichen.
Das angesprochene Wesen öffnete zitternd die Lider und erhob sich langsam auf vier plumpe, mit kurzen Krallen versehene Füße.
Syncc Marwiin machte überrascht ein paar hastige Schritte nach hinten, bemerkte, dass er dadurch der toten Regenbogenkatze zu nah gekommen war, stieß einen leisen Schrei aus und sprang Richtung Trampelpfad zurück.
Das Mesto-Quok ignorierte ihn vollständig. Sein kleiner Rüssel schnüffelte leise in der Luft und wackelte zielstrebig auf den toten Jäger zu.
»Er erinnert mich ein wenig an einen entfernten Kollegen aus den Reihen der Kirche«, bemerkte seine Weisheit mit einem geringschätzigen Blick auf Syncc Marwiin, der das Mesto-Quok aus sicherer Entfernung argwöhnisch beobachtete. »Alles Neue brachte ihn schier um den Verstand.«
Wir verfolgten das Tier mit einigen Metern Abstand. Am erstarrten Maul der Regenbogenkatze hatte sich weißer Schaum gebildet. Die Augen waren schmerzhaft verdreht. Ansonsten sah sie vollkommen unversehrt, beeindruckend schön und tödlich aus. An die zweihundert Kilo geballte Zerstörungskraft.
»Diese beiden Tiere sind wandelnde, biologische Schatzkammern, Keleeze. Die Fähigkeit zur Zell-Regeneration ist absolut einzigartig in dieser Form.«
Das Mesto-Quok schnüffelte kurz an der Regenbogenkatze und begann sie anschließend respektlos aufzufressen.
Ich wandte mich um und ging so weit den Hügel hinab, bis ich das Knacken der Knochen nicht mehr hören konnte. Als ich Syncc Marwiin erreichte, blieb er mir dicht auf den Fersen.
Seine Weisheit kam ein paar Minuten später nach. »Was meint Ihr, Syncc, ist das nicht sensationell?«
Er strahlte große Zufriedenheit aus und erwartete nicht unbedingt eine Antwort.
Der Kulturwissenschaftler grübelte noch über einer passenden Antwort, als Seine Weisheit bereits fortfuhr: »Im Blut des Mesto-Quoks ist eines der wirksamsten Kontakt-Nervengifte enthalten, die wir jemals in der Biosphäre eines Planeten entdeckt haben. Die Wirkung des Giftes einer Skorpionspinne im menschlichen Organismus verhält sich dazu wie die Wirkung eines schwachen Schlafmittels.«
»Interessant, Hud Chitziin.« Ich deutete auf sein Handgelenk. »Mich interessiert mehr, wie Ihr sie gerade hier gefunden habt. Worauf hat das Suchgerät angesprochen?«
Seine Weisheit blieb stehen und hielt mir das Gerät an seinem Handgelenk hin. Ich erkannte es. Es handelte sich um eine Drohnenfernsteuerung.
Ich drehte mich suchend um, zurück zum Abendessen des Mesto-Quoks. Genau – ungefähr fünf Meter über ihm schwebte ein faustgroßer Metallball wie eine private kleine Wolke.
»Es ist unmöglich, diesen Tieren einen Sender zu implantieren. Das habe ich zuerst versucht. Er wird innerhalb von sehr kurzer Zeit vom Körper des Mesto-Quoks aufgelöst. Genauso wenig konnte ich ihm etwas ankleben oder umhängen. Alle Geräte wurde es innerhalb kürzester Zeit los. Also blieb nur die Drohne. Zugegebenermaßen etwas unter ihrem Potential.« Seine Weisheit schmunzelte.
Mein Kommunikator fing wieder an zu vibrieren. Mein Visier kam automatisch herunter und zeigte mir das Rufzeichen der Relion. Ich tippte auf einen meiner Fingerringe, um die Verbindung herzustellen.
»Ja?«
Annu Aroldi, der Kapitän der
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