Coruum Vol. 3
zu entnehmen, dass dadurch die komplette Ur-Zivilisation auf diesem Planeten ausgelöscht wurde. Wir wissen, dass sich in dem folgenden Zeitraum von ungefähr fünfzig Jahren dieser Genozid auf den meisten Welten des Roten Nebels so oder in sehr ähnlicher Weise abgespielt haben muss. Als Folge der ersten Katastrophe kollabierte das Doppelsternsystem Phiy und Kura.«
»Syncc!« Karbedi mas Boroudy hatte beide Hände mit den Handinnenseiten aneinandergelegt und starrte auf die im Holodisplay ablaufende Szene der in der Erdatmosphäre verglühenden Industrieplattformen. »Das ist unglaublich – und sie «, Ihr Blick galt Sinistra, »ist ein direkter Nachfahre dieser Ur-Zivilisation?«
Marwiin nickte langsam. »Die heutigen Menschen von Ruthpark sind die Nachfahren der nach der ersten Potentialkatastrophe degenerierten Sole-Sourcer – so nennt sich die Ur-Zivilisation – mit den damaligen unterlegenen Stämmen des Planeten. Zweifelsohne wurde Ruthpark mit am härtesten getroffen. Alle anderen Welten im Roten Nebel haben sich schneller erholt. Aus den Überbleibseln des Ersten Imperiums der Sole-Sourcer im Roten Nebel bildete sich das Zweite Imperium, das sich schnell weit über die Grenzen des Ersten hinaus ausbreitete. Die Sole-Sourcer des Zweiten Imperiums setzten sehr bald ihre Forschungen über die Ursache der ersten Potentialkatastrophe fort – und hatten Erfolg.«
Die Erste Händlerin trank vollkommen in Gedanken einen kleinen Schluck aus einem glänzenden, schwarzornamentierten Glas. Ihr Blick blieb an Sinistra hängen, die ebenso gebannt zum ersten Mal die Vorgeschichte der Menschheit hörte.
»Das Zweite Imperium konnte den Zeitpunkt für das Eintreten des nächsten Potentialkollapses wesentlich präziser bestimmen als das Erste, nicht genau, aber es reichte, um zu überleben. Das Tektor-Artefakt stammt aus dieser Epoche, ungefähr sechzehntausend Jahre vor Beginn unserer positiven Zeitrechnung. Von dem Zeitpunkt an entwickelten sich die Sole-Sourcer weit außerhalb des heutigen Roten Nebels.«
»Wollt Ihr andeuten, Syncc, dass sie noch existieren – heute noch? « Die Erste Händlerin hatte sich erhoben.
Marwiin lächelte Sinistra kurz an, bediente seinen Kommunikationsring und stand ebenfalls auf. Das Holodisplay erlosch. »Das wissen wir seit mehr als zehntausend Jahren, Händlerin. Giyame Metcalfe, der erste König der neu gegründeten neun Königreiche, stellte den ersten Kontakt zu den Sole-Sourcern her – zum Dritten Imperium. Das war im Jahr 20.530, und er benutzte dazu den ersten Thieraport, den die Königreiche, gebaut nach den Blaupausen des Tektor-Artefakts, in Betrieb nahmen.«
Marwiin und Karbedi mas Boroudy standen einander gegenüber, ein paar Schritte von der Sitzgruppe entfernt, in der Sinistra und Ker Es’Maram in aufrechter Haltung der Rede des Kulturschützers lauschten.
»Ich kann nicht sagen, welche Seite damals mehr überrascht war, von der anderen zu hören. Möglicherweise waren die Sole-Sourcer des heutigen Dritten Imperiums davon ausgegangen, dass niemand die zweite Potentialkatastrophe im Gebiet des Roten Nebels überlebt haben konnte, so wie Giyame Metcalfe und seine Zeitgenossen sicher nicht erwartet hatten, Kontakt zur Ur-Zivilisation aufzunehmen.« Er betrachtete die feinen Mosaike im Steinfußboden des Saals, während er die nächsten Passagen des Vortrags im Geist ordnete.
»Es gibt keine klaren Berichte über die hundert Jahre nach dieser ersten Kontaktaufnahme, wir haben erst seit der Ernennung des ersten Troyians 20.612 wieder verlässliche Aufzeichnungen.«
Die Erste Händlerin ließ Marwiin nicht aus den Augen. Sinistra erkannte die Anspannung, die aus ihrer aufrechten Körperhaltung sprach und der sie sich selbst nicht zu entziehen vermochte.
Auch Marwiin registrierte, dass er ihren ganzen Fokus besaß. Ein feines Lächeln spielte um seine Augen, als er betont langsam fortfuhr. »Euch ist das nicht wirklich neu, Händlerin – das mit den Sole-Sourcern, meine ich.«
Karbedi mas Boroudy zeigte keinerlei Reaktion. Ihr Blick ruhte weiter abwartend auf dem alten Mann.
»Aus den Aufzeichnungen geht hervor, dass von den 109 Troyians des Zentrums und der Vorformen dieses Bündnisses wenigstens 22 Vertreter der heutigen Gilde waren und weitere 69 nur durch ihre Vergangenheit in der Gilde in eine Position gelangt waren, die ihnen die Ernennung zum Troyian möglich machte.«
Ker Es’Maram strich sich eine Strähne mit eingeflochtenen Perlen aus der Stirn. Ihr
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