Coruum Vol. 3
zusammenstreichend. »Wie ist es in Euren Besitz gelangt?«
Kamir fühlte sich plötzlich unwohl bei dem nebensächlichen Ton, in dem der Kulturschützer der Organisation ihn, diese Frage stellte, während ein hintergründiges Lächeln um dessen hellblaue, von kleinsten Fältchen umrahmte Augen spielte.
»Ein Gildenhändler hat es mir vor ungefähr dreißig Jahren als Entschädigung für eine verlorengegangene Fracht gegeben, Siir. Es hatte sich davor für eine sehr lange Zeit im Besitz seiner Familie befunden, die es von einem Kirchenritter erworben hatte.«
»Wie viel ist eine sehr lange Zeit, Händler? «
Er biss die Zähne zusammen. Verdächtigte ihn dieser Mann vielleicht, etwas mit dem Raub dieses Zepters zu tun zu haben?
»Ungefähr fünfhundert Jahre – ich kann es genau herausfinden, wenn es wichtig ist.«
Der alte Mann schien diese Erklärung zu akzeptieren. »Nicht notwendig, Händler. Ihr habt sicher Verständnis für diese Frage, wenn ich Euch sage, dass dies das Troyian-Zepter der Königreiche ist und sich zuletzt im Besitz von Harkcrow Treerose befand. Es wurde im Jahr 29.268 bei einem Angriff auf das System Enchrome gestohlen und ist – war – seitdem verschollen.«
Kamir spürte den Seitenblick der Ersten Händlerin, die ihn kurz ansah, ihre in dem Raum zu warm gewordene kostbare Tonka mit einer eleganten Bewegung auf einen Sessel ablegte und an den Kopf des Tisches trat. »Hatte Eurer Meinung nach das Zentrum oder die Gilde irgendetwas mit diesem Angriff zu tun?«
»Nein!« Syncc Marwiin schüttelte den Kopf. »Zu dem Zeitpunkt lag die Ermordung von Rud El’Ottar bereits vierundsechzig Jahre zurück, Fadi ad Asdinal, sein Agent in der Begleitung von Harkcrow auf Ruthpark scheint der einzig Eingeweihte innerhalb von Z-Zemothy gewesen zu sein – und er starb an Bord von Harkcrows Schiff. Die Nachfolger des Cektronns wussten nichts mehr über die Coruumer, einen weiteren Troyian des Zentrums gab es nicht. Nach dem Tod Ottars wurden die Spuren in seinen Aufzeichnungen und denen der Gilde vollständig gelöscht – wie auch in den Kirchenarchiven und in den Königreichen.«
»Und durch wen ?«, fragte Kamir vorsichtig in die sich ausbreitende Stille.
Syncc Marwiin zögerte nicht mit der Antwort. »Wir haben in den letzten Tagen die Ereignisse dieser Zeit aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet, Händler. Auch wenn wir – die Synccs der Pretaia – keine faktischen Beweise besitzen, sind wir uns dennoch sicher, dass es nur auf Veranlassung von Mesaphode 4. erfolgt sein kann – der Urmutter, die auf die ein Jahr nach Rud El’Ottar ermordete Aonia 2. und ihre Benedictine Residore 3. folgte – und ihrer Helfer aus den Reihen der Königreiche.« Er stützte sich mit beiden Händen auf der schweren Holzplatte auf. »Nur die Nebelwelten verfügen bis heute über eine lückenlose Chronologie der Troyians. Nur Mesaphode besaß neben den Königreichen die zum Überfall auf Enchrome notwendigen Informationen.«
Die Erste Händlerin sah zu Kamir hinüber, der von Neuille einen weiteren Becher Fengus gereicht bekam, den er an Syncc Marwiin weitergab.
Der alte Mann kostete an der heißen Flüssigkeit, erkannte das Getränk sofort und lächelte zufrieden.
»Wieso waren die Nebelwelten zu der Zeit in der Lage, ein geheimes System der Königreiche erfolgreich anzugreifen?« Karbedi mas Boroudy blickte Kamir mit gerunzelter Stirn an. »Wie du weißt, Kara, haben wir die Kirche schon seit dem Anbeginn der Zeit mit der benötigten Technologie beliefert«, sagte er, »sie haben nie von der Gilde solche Waffen erhalten, die sie dort gebraucht hätten. Das Zentrum selbst verfügte nicht darüber – also woher hatten sie die?«
Die Erste Händlerin schwieg – wie alle anderen auch. Schließlich deutete Syncc Marwiin auf das Zepter. »Woher kommt diese Technologie?«
»Von den Sole-Sourcern?«, sprach die Erste Händlerin ihre Antwort mehr als Frage aus.
»Exakt – so wie die des Potentialsprunges und der Thieraports.« Der Kulturschützer strich mit den Fingern seiner linken Hand über die Mitte des Zepters, an der Stelle, an der sich die handschuhähnliche Fassung befand. Kamir konzentrierte sich auf den nur wenige Zentimeter messenden Abstand zwischen den Fingerringen des alten Mannes und der Oberfläche des Gegenstands. Die haarfeinen, elektrischen Feldlinien, welche einem nahezu farblosen und einem grün schimmernden Ring an der Hand von Syncc Marwiin entsprangen, glühten in einem
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