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Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)

Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition)

Titel: Corvidæ / Haus der Jugend [Twindie: Zwei Romane – ein Preis] (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Keil , Florian Tietgen
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wieder verlassen, ging es mir mit meinen Begleitern. Erst nach einigen Kilometern meines Weges spürte ich die Erleichterung, die in der ungewohnten Stille lag. Der kalte Wind zwickte zwar im Gesicht, biss aber nicht in die Verfassung. Die Beine, gestern schwer und müde, gehorchten leicht. Ich kam gut voran, schnell voran, zuversichtlich voran. Ich hatte meine Kraft wieder, meine eigene, nicht die der zwei Kontrahenten, die einen Kampf um mich führten. Der Himmel war grau, doch ich fühlte Sonnenschein. Autofahrer überholte mich oder kamen mir entgegen, es gab Häuser, an denen ich vorbeiging, Dörfer, in denen ich Menschen traf, wenn ich sie durchquerte. Menschen, die ich freudig grüßte, die mich grüßten und weiter ihres Weges zogen, wie ich meines. Je näher ich der Stadt kam, um so mehr Autos ich sah und um so mehr Menschen mir begegneten, desto mehr Leben kehrte in mich zurück. Ich wurde wieder zu mir. 
          Von Starnberg kommend traf ich im Südwesten in der Stadt ein, durch Neuried, in Solln an den beiden alten Dorfweihern und der Kirche von 1315 vorbei. An Darius dachte ich nicht, auch an Traum der letzten Nacht nicht. Ich fühlte mich wie ein Heimkommender. Noch empfing mich die Stadt wohlwollend. Ich freute mich auf das Bett in meinem Zimmer bei den Bergmosers, auf das gute Essen meiner Vermieterin, auf heißen Tee und auf die altmodische Gemütlichkeit eines Lebens, das nie meines werden würde, das ich aber doch ab und zu genießen konnte. An Darius dachte ich nicht. Meine Schritte wurden nur schneller, als ich den Umweg durch die Humboldtstraße einschlug, langsamer, als ich mich vor seinem Haus befand und nach oben sah, um hinter den geschlossenen Fenstern Leben zu entdecken.
          Einmal.
          Zweimal.
          Dreimal.
          Mit jedem Blick verkrampfte ich. Was hatte ich erwartet? Licht? Eine geöffnete Gardine? Darius, der mir zuwinkt dahinter? ›Bestimmt ist er im Müllerschen und arbeitet.‹ Rationale Beschwichtigungsformeln an ein heißes Gemüt. Zwecklos. ›Es ist mitten am Tag, wie willst du Leben sehen?‹ Rationale Fragen, um die Sehnsucht zur Vernunft zu bringen. Ergebnislos.
          Fort. Es war mir doch gut gegangen, den ganzen Tag. Ich ging langsam weiter, den vertrauten Weg bis zur Ohlmüllerstraße.
          Auch hier schaute ich nach oben. Kein Leben hinter den Fenstern, aber die angenehme Ahnung von Wärme. Ich trat ein, ging die Treppen hinauf, setze meinen Rucksack ab, um den Schlüssel aus einer Seitentasche zu holen, glaubte, den Tee schon riechen, Kartoffeln, Hackbraten …
          Die Tür ging auf, bevor ich mich wieder aufgerichtet hatte. Frau Bergmoser kam heraus, dahinter ihr Mann, eine Tasche in der Hand.
          »Guten Tag«, wünschte ich beiden, lächelte, freute mich, dass sie mich gehört hatten, reichte ihnen die Hand.
          Beide blieben stumm, Frau Bergmoser versperrte den Weg in die Wohnung, hielt die Hand in meine Richtung, nicht zur Begrüßung, sondern geöffnet, als wartete sie darauf, Geld zu bekommen. Herr Bergmoser versteckte sich hinter ihr, reichte mir die Tasche, zog die Stirn in Falten, als bedauerte er etwas, zuckte mit den Schultern, als fühlte er sich machtlos.
          »Sie können hier nicht mehr wohnen«, stammelte er.
          Seine Frau zückte einen Briefumschlag aus der Schürzentasche. Die karierte Schürze, die immer so aussah, als wäre sie aus alten Geschirrtüchern genäht worden. »Die Miete für Februar, die Ihre Eltern schon bezahlt haben. Schließlich will ich mir nichts nachsagen lassen.«
          Mechanisch, als hätte ich es erwartet, nahm ich den Briefumschlag entgegen, händigte die Schlüssel für die Haus- und die Wohnungstür aus. »Ist Ihre Tochter zurück?«
          Was für eine bescheuerte Frage? Als ob ich nicht ahnen würde, worum es geht. Aber sie sollte es mir ins Gesicht sagen. Sie sollte mich anschauen und die Sätze der Heuschrecken wiederholen. Und sie sollte mir sagen, wie sie es erfahren hat.
          »Tun Sie ja nicht so unschuldig. Das steht Ihnen nicht und das nehmen wir Ihnen nicht ab. Sie haben uns belogen und wissen es ganz genau.« Frau Bergmoser stemmte die Hände in die Hüften, beugte sich leicht nach vorn, schüttelte mit dem Kopf. »Und wir haben Sie auch noch eingeladen, uns Ihre Freundin vorzustellen. Dabei sind Sie einer von diesen Homos. Und so einen haben wir bei uns wohnen lassen.« Sie stieß ihrem Mann mit dem Ellenbogen in die

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