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Corvidæ

Corvidæ

Titel: Corvidæ Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Keil
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uns am ersten Tag geführt hatte. Das war sicher ihr Schlafzimmer. Ich nahm einen Lüster vom Tresen, löschte die anderen Kerzen und ging nach oben.
    Lizzie lag schon im Bett, den Kopf auf die Hand gestützt. Sie sah mir beim Ausziehen zu.
    „Chloé sieht ziemlich gut aus“, sagte sie.
    „Was? Wieso? Ist mir nicht aufgefallen“, murmelte ich und schlüpfte unter die Decke.
    „Ach nur so. Ist nicht wichtig“, antwortete sie. „Wir sollten uns morgen das Schriftstück mal genauer betrachten. Das ist gruselig, aber unheimlich interessant.“
    „Ja, ich würde auch gerne wissen, was es damit auf sich hat.“ Ich drehte mich auf die Seite und atmete tief durch.
    Ich lag noch lange wach und versuchte mich an etwas zu erinnern, das fast greifbar schien, aber hinter einer dichten Nebelwand verborgen lag.
    Irgendetwas stimmte hier nicht. Ich hatte das Gefühl, dass ich etwas vergessen hatte, aber ich wusste nicht was es war. Wo kamen wir eigentlich her? Ich wusste, dass wir nicht immer in diesem Dorf gelebt hatten, ich konnte mich an meine Großmutter erinnern, an ihr Haus, die Geschichten, die sie uns erzählt hatte, aber ich konnte mich nicht erinnern, wann wir hierher gelangt waren. Und warum? Ich wälzte mich von einer Seite auf die andere, lauschte dem Wind, der mit den Ästen der Bäume spielte. Es muss bereits kurz vor dem Morgengrauen gewesen sein, als ich endlich in einen unruhigen Schlaf fiel.

Kapitel 7

    I ch stemmte mich gegen den Wind. Schweiß tropfte in meine Augen und lief meinen Rücken hinab, trotzdem fror ich. Die Angst krallte sich an meinen Beinen fest. Ich rannte, doch ich bewegte mich viel zu langsam. Warum nur war ich alleine gegangen? Ich hätte auf Großmutter hören sollen. Jetzt konnte ich den Tunnel nicht mehr finden und ihre Stimmen kamen näher und näher. Die kalte Luft brannte in meinen Lungen, mein Atem rasselte. Die Büsche wurden dichter, erschwerten das Weiterkommen. Unter einer Buche blieb ich stehen, stützte mich an ihrem Stamm ab, legte die Stirn an die kühle Borke. Ich spähte in die Richtung, aus der die Stimmen zu mir geweht wurden. Der Schein ihrer Fackeln tanzte zwischen den Ästen und Blättern. Bald würden sie mich eingeholt haben. Ich breitete meine Arme aus, konzentrierte mich. Mein Herz begann zu rasen. Meine Muskeln verkrampften sich. Ein Zittern schüttelte meinen Körper. Dann löste sich die Spannung. Verzweifelt ließ ich mich an dem Baumstamm hinabgleiten. Ich konnte es nicht, würde es nie können. Es hatte keinen Sinn zu fliehen. Heute würden sie mich erwischen …
    Meine Hände zitterten. Sonnenstrahlen fielen durchs Fenster, legten sich über meine Brust, die sich unregelmäßig hob und senkte. Ich fuhr über mein Gesicht, meine Wangen waren tränenfeucht. Nur ein Traum, sagte ich mir. Aber die Szene war so lebendig gewesen wie eine Erinnerung. Meine Muskeln schmerzten. Ich rieb mir den Nacken und streckte mich. Mein Blick fiel auf den Stuhl, auf dem mein Kleid feinsäuberlich zusammengefaltet lag. Es war offensichtlich frisch gewaschen worden. Hatte es am Abend schon dort gelegen? Ich konnte mich nicht erinnern. Langsam zog ich es an. Schnürte das Mieder.
    „Guten Morgen, Cat.“ Lizzie gähnte. „Ich hab geschlafen wie ein Baby und einen Mordshunger!“ Sie schlug die Decke zurück und strich sich durch die zerzausten Haare. Dann ging sie zum Fenster. „Raben“, sagte sie und deutete auf eine Gruppe Fichten. „Du hattest gestern gefragt, ob mir die Raben aufgefallen seien. Dort sitzen welche.“
    Ich trat neben sie und betrachtete die schwarzen Vögel. Sie putzten ihr Gefieder. Diesmal machten sie mir keine Angst. Mittlerweile war mir ihre Anwesenheit vertraut.
    Lizzie nahm ihr Kleid von der Stuhllehne und sah sich im Zimmer um.
    „Mich würde wirklich interessieren … Wo ist denn deine Hose?“, fragte sie.
    „Was willst du denn … Verdammt!“ Hektisch rannte ich in dem kleinen Raum umher, sah in jede Ecke, sogar unter das Bett. Meine Sachen waren verschwunden und mit meiner Jeans auch das Schriftstück, das ich in die Tasche gesteckt hatte. „Lass uns zum Pferdestall gehen“, sagte ich. „Schnell!“
    Lizzie zog sich eilig an und wir rannten die Treppe hinunter.
    Chloé sah uns verdutzt an. „Langsam, meine Süßen, das Frühstück ist noch nicht fertig, aber ich …“
    „Entschuldige“, schnitt ich ihr das Wort ab. „Lizzie ist übel, sie braucht dringend frische Luft!“
    Ich schob meine Schwester zur Tür hinaus und ließ

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