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Corvidæ

Corvidæ

Titel: Corvidæ Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Keil
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Regressansprüche nur in Ausnahmefällen akzeptiert. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Aufenthalt.“
    Bevor ich noch etwas erwidern oder fragen konnte, hatte sich ein unsichtbarer Mechanismus in Gang gesetzt. Ein Quietschen und Rattern setzte ein und die Frau, samt ihrem Stehpult, glitt rumpelnd nach unten. Ich sah mit weit aufgerissenen Augen in das Loch, das sich im Boden aufgetan hatte, bevor sich die Luke, ebenso geräuschvoll, verschloss. Ein letztes Zischen und nichts deutete mehr darauf hin, dass dort vor wenigen Sekunden noch etwas anderes gewesen war als glatter, glänzender Marmorboden.
    Ich ließ mich in ein ausladendes Sofa fallen, das in der Mitte des Foyers auf einem Plüschteppich stand , zupfte nachdenklich an den Troddeln eines Paradekissens und starrte die Eingangstür an. Die Beleuchtung des Schildes wechselte von grün zu blau . Ein Geräusch wie ineinandergreifende Zahnräder, gefolgt von Kettenrasseln, und wie von Geisterhand schob sich ein Riegel vor die Tür. I ch saß fest. Nach draußen hätte ich sowieso nicht gekonnt, ich war nicht erpicht darauf in einem blubbernden Fluss zu sc hwimmen, der aus undefinierbarem roten Zeugs bestand. Auf meinen Schuhen war die rote Flüssigkeit zu hässlichen dunklen Flecken getrocknet. Immerhin hatten sich die Schuhe nicht aufgelöst.
    Ich warf das Kissen in die Ecke der Couch und ging zu dem Eingang, der wohl ins Innere des Gebäudes führte. Akteur oder Besucher hatte die Frau gefragt. Es schien sich um ein Theater zu handeln. Obwohl ich müde war und mein Magen sich immer noch nicht vollständig beruhigt hatte, war ich doch neugierig , was mich erwartete. Und ich musste Rokan und Jacques finden, die hoffentlich auch hier gelandet waren. Also zog ich den Vorhang zur Seite und öffnete die Tür.
    Vor mir erstreckte sich ein düsterer Gang, der so lang war, dass ich das Ende nicht erkennen konnte. Dicker Teppichboden dämpfte meine Schritte. Zu beiden Seiten einfache Eisentüren, auf denen Holzschilder angebracht waren. gELB ES gLUECK stand auf der ersten zu meiner Rechten, vIOLETT E tOILETTE auf der links von mir. Die nächsten beiden waren mit fINGER WEG und rEINKOMMEN UND kLAPPE HALTEN beschriftet. Es ging weiter mit cELLO iDIOTIEN und tROMPETEN iRREALISMUS , mISS mAGENTA und sAPHIER kLAVIER , kLEINE kUBANESISCHE kOESTLICHKEITEN und gROSSES oHRENSAUSEN. Die Wörter schwirrten in meinem Kopf herum und das Ende des Ganges war immer noch nicht in Sicht. Ich wagte nicht, eine der Türen zu öffnen und überlegte, ob ich zurück in die Eingangshalle gehen sollte, entschied mich aber dagegen . Auf was sollte ich da warten? Irgendwo hier drinnen mussten Rokan und Jacques zu finden sein.
    Also vorbei an mAGISCHE mAENNERBEINE und mAGNETISCHE mATERIE bis zu fANATISCHE fANTASTIKER und rOT. Rot? Ich betrachtete den Button an meinem Mantel. Ich konnte noch ewig an den Türen vorbeilaufen oder einfach eine öffnen und sehen, was sich dahinter befand. Also warum nicht diese?
    Beherzt drückte ich die Klinke hinunter und trat ein. Grelles weißes Licht blendete mich und ich kniff die Augen zusammen. Ticken. Der Raum war von Ticken erfüllt. Als ich mich endlich an die Helligkeit gewöhnt hatte, sah ich, dass die Wände über und über mit Wanduhren aller erdenklichen Größen, Farben und Formen bedeckt waren. Kuckucksuhren, Pendeluhren, Standuhren. Dazwischen Vitrinen in denen Taschenuhren auf kleinen purpur roten Kissen gebettet lagen . In der Mitte des Zimmers Tische, auf denen sich Schachteln mit Zahnräder n und Werkzeugen stapelten. Und inmitten des Chaos hockte ein dürrer Mann hinter einem Tisch; auf der Nase eine Uhrmacherbrille.
    „Ah“, sagte er, als er nach einer Weile aufsah. Und noch einmal: „Ah.“ Dann legte er den winzigen Schraubenzieher zur Seite und schob die Brille nach oben. „Verflixtes Werk. Ist es nicht ein Kreuz mit den Zahnrädern?“
    Ich konnte seine leise Stimme kaum verstehen. Das gleichförmige Ticken wurde zu einem sonoren Rauschen in meinen Ohren. Ich rieb meine Schläfen.
    „Oh“, rief er plötzlich. „Oh!“ Mit langen Schritten kam er auf mich zu, setzte die Brille wieder auf die Nase , strich sich die strähnigen Haare hinter die Ohren und starrte mein Handgelenk an. Er beugte sich dicht zu mir herunter. Ich konnte seinen Atem auf meiner Haut spüren.
    „Ah. Faszinierend. Wer hat sie hergestellt? Und wie kam er nur darauf, sie mit einem kleinen Gürtel fürs Handgelenk auszustatten?“
    Wi derwillig zog ich meine Hand

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