Corvidæ
Kind geschickt hat und doch alles verloren ist.“
Ein frischer Wind kam auf und Marie raffte ihren Mantel vor der Brust zusammen. „Du bist jung“, sagte sie und Etienne lachte. „Spotte nicht! Du bist jung und ungestüm, wenn du noch Hoffnung siehst, dann versuche das Schicksal zu ändern. Ich bin eine alte Frau und des Wartens müde geworden. Ich möchte nichts anderes, als endlich meine Augen schließen und schlafen.“
Und so ging sie nach Hause ohne sich noch einmal umzusehen, strich der Katze vor ihrer Haustür über den Kopf und verschwand.
Etienne atmete schwer. Die frischen Narben auf seinem Gesicht und der Brust schmerzten. Alles schien im Feuer zu enden. In beißendem Rauch und Tränen. Er stand neben dem Brunnen, bis die ersten Regentropfen fielen. Dann ging er zurück ins Gasthaus.
M eine Sohlen knirschten bei jedem Schritt. Rostpartikel und Staub bedeckten den Boden. Rot führte mich in einen Raum, der an ein Wartezimmer erinnerte. An die schmutzweißen Wände reihten sich unterschiedliche Stühle und Sessel in satten Farben. Grelle Rot-, Blau- und Grüntöne. Die Farben schmerzten in meinen Augen und ich blinzelte. An der gegenüberliegenden Wand befand sich eine Tür. uNBUNT , stand auf dem neongelben Schild. Direkt darunter hatte jemand einen Zettel befestigt. Ich beugte mich vor, um die krakelige Handschrift entziffern zu können. halten sie ihre brille bereit ! wenn sie zu daemlich sind sich eine zu besorgen ist das nicht unser problem!
Rot drückte mir eine Schweißerbrille in die Hand, bevor ich nachfragen konnte, was das bedeutet.
„Setzen Sie die Schutzbrille auf“, sagte er, „und nehmen Sie sie niemals ab. Was auch geschieht, hören Sie?“
Die Gläser der Brille waren getönt, das eine rot, das andere grün, wie bei einer 3D Brille. „Aber wozu …“
„Ich weiß es nicht!“, fuhr der Uhrmacher mir über den Mund. „Und ich bin nicht gewillt, es herauszufinden. Also tun Sie es einfach.“
Ohne mich weiter zu beachten setzte er seine eigne Brille auf und entriegelte die Tür. Während ich von weißen Rauchwolken eingenebelt wurde, riss die Sitzfläche eines moosgrünen Sessels auf und die Sprungfeder platzte heraus. Das Inventar zerfiel vor meinen Augen, genau wie das Schiff und selbst Rots Erscheinung wurde von Minute zu Minute brüchiger und ramponierter. Als wir durch die Tür gingen , war sein Schädel fast vollkommen kahl . Ich konnte die feinen Adern erkennen, die wie ein lebendiges Spinnennetz unter der Kopfhaut pulsierten.
„ Setzen Sie endlich die Brille auf“, sagte er. „Bleiben Sie dicht hinter mir und sehen Sie nicht nach unten.“
Ich zog das Gummiband über den Kopf und rückte die Brille zurecht; machte einen Schritt nach vorne und stand auf einem Steg, gerade breit genug für einen Menschen. Links und rechts davon: bodenlose Tiefe, die von einer Felswand eingeschlossen wurde.
Die Brücke bestand aus Stein und doch schien sie zu schwanken, dass mir schwindelig wurde, auch wenn ich nicht das Gefühl hatte, dass sie sich tatsächlich bewegt. Spielten meine Augen mir einen Streich? Es mussten die farbigen Brillengläser sein. Ich hob die Hand, um sie abzusetzen, doch dann erinnerte ich mich an Rots Warnung und schloss nur einen Moment die Lider, bis sich der Schwindel gelegt hatte.
Rot ging vorwärts und ich heftete meine Blicke an seinen Rücken, ließ mich von ihm führen.
Aus den Augenwinkeln heraus, sah ich Blitze zucken. Gesteinsbrocken lösten sich aus den Felsen und polterten in die Tiefe. Es dauerte eine Ewigkeit, bis endgültig aufschlugen. Das war kein Schiff, konnte kein Schiff sein. Aber was war es dann?
Wir ließen die Brücke hinter uns und ich spürte weichen, fluffigen Untergrund unter meinen Sohlen, hörte Vögel zwitschern und das Rauschen eines Wasserfalls. Doch um uns herum war nichts weiter zu sehen als Nichts. Die Brücke war verschwunden, die Felsen, d er Abgrund. Und als mein Gehirn die Umgebung realisiert hatte, verschwanden alle Sinneseindrücke. Dar war en nur noch Rot und ich und ein grün-rötlich verwaschenes Nichts. Meine Knie zitterten, als ich begriff, dass ich auf nichts stand, was gar nicht möglich war. Nichts woran ich mich hätte festhalten können, nichts worauf ich mich hätte setzen könne, um mich zu sammeln und meinem Gehirn die Chance zu geben, dieses Nichts zu etwas realem, greifbarem zusammenzusetzen. Etwas, das ich begreifen, oder wenigstens identifizieren konnte.
„Versuchen Sie es nicht“, sagte Rot
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