Cosm
meine Farbe«, schoß Jill zurück: »Wen kümmert das? Alle Männer lieben Blau. Liest du eigentlich gar nichts? Du willst doch schließlich nicht mit dir selbst ausgehen.«
Das nächste Problem war der passende Schmuck, wobei die Qual der Wahl durch den Umstand, daß Alicia die meisten Stücke nicht finden konnte, keineswegs erleichtert wurde. Es war wie ein Naturgesetz: sobald man für gewisse Dinge einen sinnvolleren und besseren Aufbewahrungsort gefunden hatte, konnte man sich garantiert nur noch daran erinnern, wo sie vorher gewesen waren und daß man sie von eine Stelle gebracht hatte, die sich nun wirklich anbot.
Dann war sie endlich ›ausgehfertig‹, wie ihr Vater zu sagen pflegte, und Jill gab ihr Urteil ab. »Wieso schwarze Schuhe? Du hast doch sehr schöne rote.«
»Das sind aber meine ›Ich-will-bumsen‹-Schuhe. Und das Signal wollte ich eigentlich nicht aussenden.«
»Hmm, einverstanden. Gehen wir.«
»Weißt du noch«, sagte Alicia, »daß junge Mädchen zu solchen Anlässen früher immer ein Kondom in der Handtasche hatten?«
»Das war lange vor unserer Zeit, so Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts. Heutzutage setze ich einfach meine Persönlichkeit ein, dann bleibt der gefährliche Samen in seinem Gefäß, wo er hingehört.«
»In seinen Gefäßen.«
»Ich vergesse immer wieder, daß es zwei sind. Warum eigentlich? Eins allein produziert doch schon mehr, als man jemals braucht.«
»Typisch Mann. Immer ein Ersatzteil zur Hand.«
Als sie auf der Party eintrafen, waren sie beide guter Dinge. Südlich von L.A. stieg die Aktivität des Gesellschaftslebens mit den Postleitzahlen der Küstenstädte von Huntington Beach 92 649 bis San Clemente 92 672 stetig an, wobei 92 660 Newport als sicherer Favorit galt und 92 651 Laguna Beach die höchste Dichte an ausgeflippten Künstlern und an Medienpräsenz zu verzeichnen hatte. Das heutige Neurotikertreffen fand etwas landeinwärts dicht hinter Newport Harbor in Fashion Island statt. Kümmerliche Dattelpalmen säumten die Abfahrt vom Coast Highway. Im bläulichen Schein der Flutlichtstrahler, die an den Stämmen angebracht waren, schwankten die grünen Wedel wie riesige Hularöcke in der salzduftenden Meeresbrise. Ein eitergelber Suchscheinwerfer bohrte sich in die Strandnebelschichten, die allabendlich wie Tüllschleier über dem Four Seasons Hotel schwebten. Die beiden Frauen überließen es einem der Hotelboys, Alicias Miata zu parken, und begaben sich auf die übliche Hindernisstrecke. Zuerst die Rezeption, wo man Namensschildchen zum Anstecken erhielt, dann diverse Tische von Singles-Organisationen und – hinter der nächsten Ecke – ein Körper. Ein Mann mit heraushängendem Hemd und feuchten Haaren, der, das Gesicht zur Decke gerichtet, auf dem Boden lag.
»Mein Gott, ist er tot?« keuchte Alicia erschrocken.
»Nur gesellschaftlich. Stockbetrunken, würde ich sagen.«
Jill stieg ohne Zögern über dieses letzte Hindernis hinweg. Alicia folgte ihr, und bevor sie noch am Ende des langen Korridors angelangt waren, bemühten sich bereits einige Männer, dem Betrunkenen auf die Beine zu helfen. Dergleichen war hier offenbar kein Grund zur Aufregung.
»Moment mal.« Alicia trat in einen Innenhof.
Jill folgte ihr. »Der klassische Stressraucher«, mehr sagte sie nicht, doch die nach unten gezogenen Mundwinkel sprachen Bände.
Alicia winkte ab. Sie spürte geradezu, wie die Phenole und Pyrene über die zarten Schleimhäute und Flimmerhärchen in ihren Bronchien herfielen, wie Kohlenmonoxid und Zyanid sich gierig auf das unschuldige Hämoglobin stürzten, und wie ihr braves, nimmermüdes Herz unter dem Einfluß der Chemie in heller Panik zu rasen und zu stolpern begann. Doch der verzweifelte Protest ihres wehrlosen Körpers gegen den brutalen Ansturm feindlicher Moleküle verhallte ungehört; sie brauchte diese Zigarette, und außerdem, wer war hier eigentlich der Boss?
Leider verflüchtigte sich der Rauch in der trockenen Luft nur allzu rasch. Seufzend schloß sie die Augen. Auf in den Kampf. Alicia hatte solche Veranstaltungen früher öfter besucht, in letzter Zeit allerdings nicht mehr. Das gab ihr eine gewisse Distanz, sie konnte sich sozusagen hinter ihren Lidern zurücklehnen und die Show genießen.
Die Frauen begrüßten sich mit einem zwitschernden Singsang, der jedes Wort endlos in die Länge zog: Halloooo, wie geeeht’s diiiir denn? Die Männer fielen ins andere Extrem, sie nickten nur knapp und knurrten im tiefsten Baßstaccato: He,
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