Cosm
he, alles klar? Die Frauen suchten Anschluß, indem sie Gefühle mimten, die oft heillos übertrieben waren. Wenn dagegen zwei Männer aufeinandertrafen, legten sie, etwa mit einem spielerischen Boxhieb oder einer liebenswürdigen Beschimpfung, zuerst die Hackordnung fest. Und sie besiegten den Drang, ihren persönlichen Freiraum zu verteidigen, indem sie sich die Hand schüttelten, eine Geste, mit der man vor ein paar hundert Jahren noch demonstriert hatte, daß man keine Waffe bei sich trug. Als Alicia nun den großen, vom Stimmengewirr erfüllten Saal betrat, bekam sie von jeder Gruppe etwas ab.
»Alicia, wo hast du denn bloß die ganze Zeit gesteckt? «
»Hab dich vermißt, Kleines.«
»Mein Gott, ich dachte schon, du bist verheiratet oder tot!«
»Oder beides«, gab sie trocken zurück, erntete aber keine Reaktion. Je länger zwei Frauen sich nicht mehr gesehen hatten, und je besser sie sich kannten, desto schriller fiel die Begrüßung aus. Frauen steckten auch gern die Köpfe zusammen, als hätten sie Geheimnisse. Alicia bemerkte diese Verhaltensmuster sehr wohl und vermied es nach Möglichkeit, ins gleiche Horn zu stoßen, aber das Gebalze und Gejohle war doch ziemlich ansteckend.
Die Männer benahmen sich wie Zuschauer bei einem Hexensabbat, sie hielten demonstrativ Abstand zu den jeweiligen Frauen und schauten im Saal herum wie Jäger auf der Pirsch.
Nach dem Begrüßungsritual wurden die Tonlagen wieder halbwegs normal. Durchaus einleuchtend, ging es Alicia durch den Kopf. Bei der ersten Begegnung fühlte man sich unsicher und suchte Halt in der jeweiligen Geschlechterrolle. Die Kinderstimmchen der Frauen versicherten: Du hast nichts zu befürchten. Der tiefe Bass der Männer warnte: Mach bloß keinen Ärger.
Prüfend überblickte sie das Angebot. In Orange County traten die Männer allzu oft in bunten Blazern, Hosen ohne Gürtel, glänzenden Halbschuhen und farbenfrohen Socken auf. Oder im George-Will-Look. Die meisten waren natürlich Weiße, gelegentlich war auch ein Asiate darunter. Ein paar bramahnenhaft wirkende Inder fielen schon aus dem Rahmen. Bereits von der Tür aus hatte Alicia drei Schwarze entdeckt, die natürlich den Kopf wegdrehten, sobald sie sie bemerkten. Diese Männer hatten es auf weiße Frauen abgesehen; nach schwarzen Mädchen hätten sie weiter im Norden gesucht, vielleicht sogar in L.A. selbst, dort war die Auswahl am größten.
»Freut mich, sie wiederzusehen«, sagte ein gutgekleideter Mann, der vielleicht fünf Zentimeter größer war als sie.
»Tut mir leid, ich weiß nicht mehr so recht …« Das stimmte nicht nur, es war auch ein gängiger Eröffnungszug. In den ersten fünf Minuten des Gesprächs zeigte er sich schlagfertig, gewandt und intelligent. In den nächsten zwanzig Minuten klang es eher so, als habe er lange trainiert, um sich fünf Minuten lang wacker zu schlagen. Die Witze gingen ihm so glatt über die Lippen wie auswendig gelernte Zitate – was sie vermutlich auch waren.
Dann bekam Alicia plötzlich Hunger, glaubte jedoch schon nach den ersten Appetithappen zu spüren, wie das blaue Kleid spannte. Jill nahm ein Bad in der Menge, tauchte aber nach jeweils einer Viertelstunde getreulich wieder auf, um nachzusehen, wie Alicia vorankam, und sie mit ein paar Worten zu weiteren Anstrengungen zu ermuntern. Auf Alicias Klage, das blaue Kleid krieche ihr die Schenkel hinauf wie ein intelligenter Pilz, bemerkte sie nur zynisch: »Die Männer sagen: ›Ich trage Größe achtundvierzig‹, bei uns heißt es: ›Ich habe Größe achtunddreißig.‹ Was schließt du daraus?«
»Daß ich wahrscheinlich Größe vierzig habe«, knirschte Alicia.
»Wie steht’s denn so?«
»Wenn nur nicht alle Welt die Schwarzen zu mir schicken würde. Die armen Teufel haben einen richtiggehend gehetzten Blick, wenn sie ankommen.«
Jill nickte. »Ich werd’s weitersagen. Ich habe eben eine halbe Stunde auf einen Typen verschwendet, für den Weinkühler aus Styropor eine ebenso bahnbrechende Erfindung sind wie einst das Rad.«
»Geplatzte Äderchen auf der Nase?«
»Jawoll, ein Säufer.« Jill runzelte die Stirn. »Warum fliegen die nur immer auf mich?«
»Ich komme mir auf solchen Feten vor, als wollte ich im Cocktailkleid den Mount Everest besteigen. Die Partylöwen wittern jede Schwäche.«
»Vielleicht verraten uns die Schweißperlen auf derOberlippe?« Jill warf einen prüfenden Blick über die Menge.
»Erstens das, und zweitens gehören wir nun einmal nicht zur
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