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Cosm

Cosm

Titel: Cosm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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aufs äußerste strapazierte?«
    »Auf den Mund gefallen sind Sie jedenfalls nicht.«
    »Man muß in Übung bleiben.«
    »Mit … Menschen wie uns kommen die wenigsten Frauen zurecht.«
    »Sie war jung und brauchte viel Zuwendung.« Seine Stimme klang sachlich, und sein Blick war auf die Bar gerichtet. »Und es kümmerte sie wenig, ob man müde war oder viel Arbeit hatte. Sie konnte sehr zärtlich sein, wenn sie in Stimmung war, aber wenn sie etwas anderes beschäftigte, war man einfach Luft für sie.«
    Alicia überlegte, ob er sich diese schönen Sätze wohl vorher zurechtgelegt hatte, aber sein Gesichtsausdruck sprach dagegen. Es sei denn, er wäre ein außergewöhnlich guter Schauspieler. Als er ihren Blick spürte, blinzelte er und sagte rasch: »Aber sie hat toll ausgesehen.«
    »Außen ein Paradiesvogel, innen ein Spatz?«
    »Ganz genau. Vielleicht war ich nicht romantisch genug.«
    Alicia schüttelte den Kopf. Die meisten Männer hätten leicht verlegen, aber mit einer gewissen Überheblichkeit: Ich bin eben ein Romantiker gesagt. »Ich konnte mit der romantischen Liebe noch nie sehr viel anfangen. Sie erinnert mich an eine Liste von Depressionssymptomen. Als würde man sich erst richtig lebendig fühlen, wenn man jemandem vermißt. Als gäbe es nichts Schöneres, als sich anzuklammern, und nichts Moralischeres, als abhängig zu sein.«
    Er schien zunächst schockiert, aber dann nickte er und setzte sogar noch eins drauf: »Selbstverschuldetes Elend trägt enorm zur Selbstverwirklichung bei.«
    »Richtig. Schließlich wird das Leben erst im Leiden lebenswert. Wahnsinn!«
    »Mal sehen. Gibt es noch ein hohes Ideal, das wir in den Schmutz einer Single-Bar ziehen könnten?«
    »Jede Menge. Wir waren einmal die Teenager der neunziger Jahre, jetzt müssen wir die Nullen hinter uns bringen …«
    »Die 00-Jahre, wie manche sagen.«
    »… und wir haben viel zu viel Freiheit.«
    Eine Falte erschien auf seiner Stirn. »Das höre ich zum ersten Mal.«
    »Sie können es eben nicht nachvollziehen. Heutzutage haben viele Frauen mehr Freiheiten, als sie verkraften können.« Sie spürte, wie sie in Fahrt kam, vielleicht war sie auf dem besten Weg zu einer ausgewachsenen ›Alicia-Schelte‹, wie ihr Vater immer sagte. Aber sie wollte nicht aufhören. Nur zu, sagte eine innere Stimme. Gib ihm Saures. Mal sehen, ob er sich abschrecken läßt. »Denken Sie nur an die Arbeit. Welchen Stellenwert solldie Karriere haben? Wie viele Männer konnten darüber jemals frei entscheiden?«
    »Hmm«, sagte er lakonisch und beobachtete sie aufmerksam.
    Bei den meisten Männern war dieser unverhohlen skeptische Blick ein Alarmsignal, aber sie war nicht mehr zu halten. »Mit jemandem schlafen? Mit wechselnden Partnern? Oder lieber gar nicht? Das Problem hat sich den meisten Typen nie gestellt; sie hatten gar keine Wahl. Und heiraten? Wen, wann, warum – diese Entscheidung war früher allein von den eingehenden Angeboten abhängig.«
    »Wobei alles von der Aussicht überschattet wurde, als alte Jungfer zu enden«, ergänzte er.
    Sie nickte zustimmend und wetterte weiter: »Scheidung? Eine ganz neue Freiheit, jederzeit verfügbar, man braucht nur zu wollen. Ohne Angabe von Gründen. Die Cafeteria der Liebe. Wie man es auch betrachtet, die Frau von heute muß auf jedem Gebiet Entscheidungen fällen. Auf jedem! Die Gesellschaft bleibt stumm.«
    »Runzelt allenfalls ein wenig die Stirn.«
    »Okay, mag sein. Aber das ist doch ungeheuer belastend. Glücklich? Zufrieden? Nein? – Selbst schuld, mein Kind. Freud hat sich noch gefragt, was die Frauen wollen; heute müssen die Frauen sich das selbst fragen, und wir haben nur allzu oft keine Antwort. Wir erkennen nicht einmal, wann der Moment gekommen ist, in dem wir es wissen. Wir sind auf uns allein gestellt.«
    Er stützte den Kopf in beide Hände und lächelte verständnisvoll. »Sie haben schwer zu kämpfen, wie?«
    Sie fand seine Wehrlosigkeit entwaffnend. »Merkt man das so deutlich?«
    »Ich sehe schwarz für Sie.«
    »Soll das ein Witz sein?«
    Er kniff erschrocken die Lippen zusammen, und siemußte lachen und sagte rasch: »Entschuldigen Sie, das ist mir so rausgerutscht.«
    »Ich sehe Sie nicht als Schwarze«, sagte er vorsichtig.
    »Ich mich auch nicht. Und mit Identitätspolitik habe ich nichts am Hut. Mir reicht es schon, ich selbst zu sein.«
    »Eine Vollzeitbeschäftigung.«
    Ihre Spannung hatte sich ein wenig gelöst, und es dauerte nicht lange, bis sie sich dabei ertappte, wie sie

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