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Cosm

Cosm

Titel: Cosm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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Beiwerk.
    Nach den wachsweichen Ausflüchten in Ms. Lattimers kuscheligem Büro sehnte sie sich geradezu nach präzisen Vorgaben und harten Fakten. Doch zuerst hatte sie noch ein paar politische Rechnungen zu begleichen, und so strebte sie im Schein der Abendsonne mit energischen Schritten dem Physikgebäude zu.

 
    13 Martin Onell sei in seinem Büro, und er habe auch Zeit, versicherte die Führungsassistentin und führte Alicia hinein. Onell trug den üblichen dreiteiligen Anzug, heute in Braun, dazu ein sonnengelbes Button-Down-Hemd und eine Krawatte in dezentem Rot.
    »Alicia! Ich warte schon seit langem, daß Sie sich wegen des Programms zur Förderung von Minderheiten mit mir in Verbindung setzen.«
    »Äh … ich bin etwas im Rückstand …«
    »Der Vizekanzler schickt mir jeden Tag eine E-Mail mit der Bitte, ich möchte Sie doch in die Ausschußsitzungen schicken.« Er stand auf und kam, einem Stapel Physikzeitschriften vorsichtig ausweichend, um seinen großen Schreibtisch herum.
    »Diese Sitzungen sind endlos. Ich finde sie unerträglich. Und die Vorsitzende des Ausschusses für Gleichberechtigungsfragen ist eine so sterbenslangweilige Person …«
    »Aber es handelt sich um eine Verpflichtung, die uns alle betrifft, soweit stimmen Sie mir doch wohl zu.« Er lächelte herzlich und setzte sein ›Laß uns doch vernünftig miteinander reden‹-Gesicht mit den freundlichen Augenfältchen auf. Sie machte der Sache wohl besser ein Ende, bevor er noch deutlicher wurde. »Wenn auch nicht alle in gleichem Maße.«
    Da war er schon, der kleine Standardvertrag zum Thema Verpflichtung gegenüber ›Minderheiten‹, besonders für sie, die gleich zwei Minderheiten in einem repräsentierte. (Manchmal hatte sie den Verdacht, sie hätte der Verwaltung den größten Gefallen getan, wenn sie sich auch noch als Lesbierin herausgestellt hätte. Drei Minderheiten in einem, eine wahre Goldgrube!) Sie mußte irgendwie erreichen, daß dieses Gespräch die ausgefahrenen Gleise verließ.
    Ein tiefer Atemzug, ein stählerner Blick. »An sich wollte ich Sie fragen, warum Sie meine Arbeit von einem Untersuchungsausschuß überprüfen lassen, ohne mir ein Wort davon zu sagen?«
    Die Herzlichkeit verschwand, sein Gesicht wurde ausdruckslos. »Natürlich, weil ich mußte.«
    »Wieso ›natürlich‹?«
    »Der Vizekanzler für den Bereich Forschung befürchtete, es könnten, nun, beträchtliche Schadenersatzforderungen auf die UCI zukommen. Wenn Sie sich tatsächlich des Diebstahls wertvoller …«
    » Diebstahl? – Ich habe …«
    »… genau so und nicht anders wurde es von Brookhaven dargestellt, das können Sie nicht bestreiten. Und als ich das hörte, da hielt ich es für keine schlechte Idee, ganz inoffiziell die Meinung einiger Ihrer Kollegen aus dem Bereich Elementarteilchenphysik darüber einzuholen, wie in solchen Streitigkeiten zu verfahren sei.«
    »Ich mag es nicht, wenn man hinter meinem Rücken agiert.«
    Er nestelte an seiner Krawatte herum. »Ich muß den Fachbereich schützen.«
    Mitte der neunziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts hatte es in der UCI einen ungeheuren Skandal gegeben. In der Fertilisationsabteilung der Universitätsklinik war mit den Eizellen einer Frau gepfuscht worden. Was anfangs nur ein kleines, bürokratisches Problem gewesen war, hatte sich in den Händen der Anwälte zu astronomischen Schadenersatzzahlungen auch an Personen ausgewachsen, die im Grunde nur ›seelische Schäden‹ davongetragen hatten. Seither ging jeder leitende Verwaltungsangestellte unwillkürlich auf Zehenspitzen, wenn auch nur die leiseste Gefahr eines Rechtsstreits drohte. Daran dachte Alicia, während sie beobachtete, wie sich das Mißtrauen in Onells Zügen in väterliche Besorgnis verwandelte. Eigentlich hatte sie ihn gründlich in die Mangel nehmen wollen, aber plötzlich war ihr die Lust auf weitere Konfrontationen vergangen. »Ich … verstehe«, sagte sie lahm.
    »Es wird sicher alles wieder gut«, tröstete er.
    Wenn er sich erst in Gemeinplätze flüchtete, war nichts mehr von ihm zu erwarten. Er pflegte einen defensiven Führungsstil und verschanzte sich normalerweise hinter einem Berg von Papier; was nicht schriftlich niedergelegt war, das war auch nicht passiert, zumindest würde jedes Untersuchungsgremium so entscheiden. Berechenbarkeit war eine gute, wenn auch eher langweilige Eigenschaft.
    »Ich melde mich wieder«, sagte sie wie immer, wenn sie sich einen reibungslosen Abgang verschaffen wollte, und

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