Cosm
teilte mit, Brad sei tot. Einfach so, ohne Vorwarnung. Alicia saß in dem großen Ledersessel und ließ die Worte an sich vorbeirauschen, ohne sie aufzunehmen. Onell sagte irgend etwas, Leute kamen und gingen, aber die Geschehnisse glitten ihr einfach durch die Finger, sie bekam sie nicht zu fassen … nicht zu fassen.
Alicia wußte nicht mehr, wie lange sie schon in diesem Wartezimmer saß. Max war eben angekommen, und sie hatte sich in seine Arme geworfen.
»Professor Butterworth?«
Das war Detective Sturges. Er schaute krampfhaft zur Seite, es war ihm sichtlich peinlich, in dieser Situation zu stören. Beide ließen die Arme sinken, und dabei bemerkte Alicia, wie sich das Gesicht des Detective verschloß. Starke Emotionen sollten ihm eigentlich nicht fremd sein, aber mit Zärtlichkeiten wurde er vielleicht nicht allzu oft konfrontiert. Oder störte ihn die Mischung aus Schwarz und Weiß?
»Ja?« fragte sie möglichst neutral.
»Ich habe hier die Ergebnisse der ersten, polizeilichen Untersuchungen. Vielleicht haben Sie noch etwas hinzuzufügen?« Sturges reichte ihr sein Klemmbrett. »Diese Dreifachsätze sind schlecht zu lesen.«
»Dreifachsätze?« fragte sie.
»Der dritte Durchschlag vom Bericht der ersten Beamten am Tatort und vom Bericht der Spurensicherung. Sieht aus, als ob ein Huhn über das Blatt gelaufen wäre. Den Röntgenaufnahmen und dem Tomogramm zufolge war die Zerebralschwellung die Todesursache. Sein Gehirn muß regelrecht gekocht worden sein.«
Alicia zuckte zusammen. Sie wollte etwas sagen, brachte aber kein Wort heraus.
»Und sonst?« fragte Max scharf und trat zwischen sie und Sturges.
Der Detective zögerte, und Alicia sah, wie er – sehr professionell – seinen Ärger unterdrückte. Sie machte die beiden Männer miteinander bekannt, und dann sagte Sturges: »Es gibt keinerlei Hinweise auf Drogenkonsum, wenn Sie das meinen.«
»Was ist im Labor passiert?« fragte Max.
Sturges warf einen Blick auf Alicia, dann sagte er ruhig: »Ich will im Moment noch keine Schlußfolgerungen ziehen, aber Sie, Professor Butterworth, haben doch vorhin ein Objekt erwähnt, mit dem Sie sich derzeit beschäftigen?«
Alicia war immer noch völlig fassungslos, konnte ihre Betäubung kaum abschütteln. »Ein Experiment auf dem Gebiet der Hochenergiephysik.«
»Unfälle müssen nach wie vor untersucht werden. Sobald die Ermittlungen abgeschlossen sind, komme ich zu Ihnen ins Labor, und dann sehen wir weiter.«
Damit ging er. Alicia fühlte sich von einer Woge der Erleichterung durchflutet. Sie war sich vor diesem knochentrockenen Beamten vorgekommen wie vor einem Richter. Doch die Schuldgefühle, die ihr schwer wie Blei im Magen lagen, hatte er ihr nicht nehmen können.
Als sie in Max’ Wagen saßen und zur UCI zurückfuhren, sagte Alicia plötzlich: »An solchen Tagen wäre ich gerne fromm.«
»Ach?« Das klang zurückhaltend, aber er schaute zu ihr herüber.
Ob man ihr wohl ansah, wie zittrig sie sich fühlte? Sie mußte sich entspannen. Ihre Hände waren so fest ineinandergekrallt, daß die Fingerknöchel weiß hervortraten. Einfach weiterreden, vielleicht hilft das. »Ich … ich würde wirklich gerne daran glauben, daß Brad nicht nur ein Häufchen verbrannter Neuronen ist, sondern sich an irgendeinem anderen Ort befindet.«
Er nickte. »Das wäre leichter zu ertragen …«
Sie durfte nicht aufhören. »Mit zwölf war ich noch ein braves Baptistenmädchen, als Teenager habe ich mich dann vollkommen gedreht und bin Atheistin geworden.«
»Für mich waren Gottesdienste immer nur Formsache. Ich bin Lutheraner.«
»Ich war sehr stolz darauf, mich von allen Dogmen freigemacht zu haben.«
Er lachte in sich hinein. »Ich auch. Falls es ein Trost für Sie ist, Ihre Einstellung ändert gar nichts. Ob Gott und der Himmel existieren oder nicht, hängt nicht von Ihrem Glauben oder Unglauben ab.«
»Ich weiß, aber das hilft mir nicht weiter. Wenn ich meine Großeltern besuche und sie mich mit in den Gottesdienst schleppen, finde ich es immer wunderschön und schwelge genauso in Erinnerungen, wie wenn ich mir die Bilder im High School-Jahrbuch ansehe. Kennen Sie dieses unbefriedigende Gefühl? Als gäbe es die erfrischend naive, junge Frau von damals zwar noch, aber ich käme nur auf diesem Weg an sie heran.«
Max lächelte matt. »Sie ist tatsächlich noch da. Manchmal spitzt sie hervor.«
Darauf war sie nicht gefaßt. Er suchte mit einem schüchternen Blick ihre Reaktion abzuschätzen. Sie
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