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Cosm

Cosm

Titel: Cosm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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Kenntnisse zu verwenden.
    Im Innenhof des Physikgebäudes war eine Wand mit einem Graffito der hispano-nationalistischen Bewegung verunstaltet: auf einer schlecht gezeichneten Amerikakarte waren die Weststaaten der Union abgeteilt und bildeten zusammen mit Mexiko eine eigenständige Zone mit ungehinderter Bewegungsfreiheit für Dollars, Pesos und Menschen. Sie starrte das Bild lange an. Von solchen Ideen fühlte sie sich Lichtjahre entfernt.
    Welch malerischer Photonenfall, dachte sie. Ihr war schwindlig vor Erschöpfung, fuhr aber doch noch mit dem Fahrrad zum Observatorium hinauf, um nach Zak zu sehen. Er war wie gewohnt eifrig bei der Arbeit, der Junge war immer dann am glücklichsten, wenn er sich in kniffligen Messungen vergraben konnte. »Was haben Sie herausgefunden?« fragte sie.
    »Nicht viel«, antwortete er. »Die Lichtmenge läßt rasch nach.«
    Die Kurven zeigten, daß die Lichtintensität stündlich abnahm. Das schwache Rinnsal, das es noch schaffte, den Cosm zu verlassen, hatte sich vom UV-Bereich zunehmend in den sichtbaren Bereich verschoben. Sie hatten aus den wenigen Photonen, die noch durchdrangen, Bilder gewonnen, aber die zeigten keine Struktur, sondern nur einen gleichförmig trüben Nebel. Inzwischen bewegten sich die Emissionsfrequenzen bereits in Richtung Infrarot, und sie hatten sich von Walter Bron neue Geräte pumpen müssen, um den schwachen Schimmer weiter verfolgen zu können.
    Wenn Max ihnen wenigstens genauer gesagt hätte, wonach sie suchen sollten. Alicia kannte zwar das berühmte Fermi-Zitat: »Wenn ein Experiment eine Voraussage bestätigt, ist es lediglich eine Messung. Wenn ein Experiment eine Voraussage widerlegt, ist es eine Entdeckung.« Doch hier stand so viel auf dem Spiel, daß solche Ambitionen von untergeordneter Bedeutung waren. Man segelte in völlig fremden Gewässern.
    »Nichts im sichtbaren Bereich?«
    Zak hatte die Kugel mit einer neuen Batterie optischer Sensoren umgeben und sie dann sorgfältig abgedeckt. »Immer noch nichts. Das Maximum liegt jetzt eindeutig im Infraroten.«
    Das war beunruhigend. Manchmal galt auch in der Experimentalphysik das Sprichwort: Blinder Eifer schadet nur. Um 1930 hatten Physiker, die Elemente mit Neutronen beschossen, ihr Experiment, um mögliche Fehlerquellen gering zu halten, so angelegt, daß sich die Geigerzähler im gleichen Augenblick ausschalteten wie der Neutronenstrahl. Damit entging ihnen aber der spektakuläre Nachwirkungseffekt; einige Elemente gaben nämlich Strahlung ab, wenn sie, durch die Neutronen instabil geworden, weiter zerfielen. Kurz darauf entdeckte ein weniger pedantischer Physiker diese künstliche Radioaktivität und bekam dafür den Nobelpreis.
    »Sehen wir uns das mal auf dem Bildschirm an«, sagte sie. Es war nicht weiter schwierig, einige der kosmologischen Grundbegriffe, die sie sich in abenteuerlicher Geschwindigkeit angeeignet hatte, auf das von Zak festgestellte Phänomen der UV-Verschiebung anzuwenden.
    »Hier.« Sie gab seine Werte in ein einfaches Plot-Programm ein und ließ sie zu einer Kurve verarbeiten. »Ich habe die Temperatur Ihrer UV-Zählungen in Relation zur Cosm-Zeit gesetzt.«
    »Sie meinen die Zeit im Innern?« Zak konnte der Entwicklung nur mit Mühe folgen, nicht, weil er nicht intelligent genug gewesen wäre, sondern weil sie einfach zu bizarr war. »Wie setzt man Temperatur in Zeit um?«
    »Mit ganz gewöhnlicher Urknall-Kosmologie. Man weiß, daß die Temperatur mit der Zeit abfällt – genauer gesagt, mit t hoch zwei Drittel. Wenn ich das nun auf unsere Zeit umforme, müßten wir – und das ist keine Hexerei – ein exponentielles Absinken der Temperatur feststellen können.«
    Zak nickte. »Weil auch eine Exponentialfunktion hoch zwei Drittel noch eine Exponentialfunktion ist. Sie fällt nur langsamer.«
    »Genau. Sehen Sie?« Seine Temperaturwerte fielen genauso ab, wie sie es vorausgesagt hatte. »Die Hypothese, daß die Zeit im Cosm exponentiell schneller vergeht als bei uns, greift noch immer.«
    »Wissen Sie, daß wir jetzt Temperaturen von etwa 300 K messen?«
    »Zimmertemperatur?«
    Sie fröstelte. Die Schöpfung jenseits der undurchsichtigen Kugel wurde von fremdartigen Motoren immer schneller einem unbekannten Ziel entgegengetragen. Der Zeitunterschied zwischen beiden Welten steigerte sich exponentiell – eine kosmische Achterbahn, die auf den Abgrund zustürzte. Schon war das Licht, in dem Brad noch verbrannt war, nicht mehr wärmer als die Luft hier im

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