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Cosm

Cosm

Titel: Cosm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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Observatorium.
    »Ja, ich bekomme nur noch Werte im Infrarotbereich. Und selbst das wird schwierig.«
    »Heißt das, es dauert länger, bis Sie genügend Werte für eine Messung beisammen haben?«
    »Ja. Inzwischen brauche ich für jedes Integral zwei Stunden.«
    »Und es wird noch schlimmer beziehungsweise schwächer werden.«
    Die Photonen im Innern des Cosm verhielten sich nach wie vor wie ein Gas in einem expandierenden Behälter – dem Gefängnis des Cosm-Universum. Wie im ›echten‹ Universum – und damit verglich Alicia den Cosm noch immer – rückten die Wände mit stetiger Geschwindigkeit auseinander, ein Effekt, der als Hubbleverschiebung zu beobachten war. Man hatte den Eindruck, als würden sich die Galaxien rasend schnell voneinander entfernen, obwohl jede Galaxis in ihrer eigenen, in sich geschlossenen Raumzeit gefangen war. Die Raumzeit selbst dehnte sich wiederum wie eine Gummiplane.
    Sie hatte schon immer etwas Mühe gehabt, das zu begreifen. Das Universum wurde ständig größer, und die Photonen reagierten darauf mit einem Energieverlust, einer Rotverschiebung in den unteren Teil des Spektrums. Wenn das Photonen-›Gas‹ vollends abkühlte, verfielen die grellen Flammen zu mattroter Glut.
    Das einzige Andenken an die Zeit, als noch das Licht das Universum dominierte, waren die über den Himmel verteilten Mikrowellenphotonen, jene Strahlung von 2,7 Grad, die bewies, daß die Zeiten früher sehr viel heißer gewesen waren. An den niedrigen Temperaturen konnte man ermessen, wie weit sich das Universum seit seiner stürmischen Geburt aufgebläht hatte.
    Auch das Universum am anderen Ende des Cosm-›Tunnels‹ dehnte sich aus. Alicia versuchte, sich vorzustellen, wie es sich in eine Richtung ausbreitete, die sie und Zak nicht erkennen konnten, die im wahrsten Sinne des Wortes ›über ihren Horizont‹ ging.
    Weiter reichte ihr immer noch recht laienhaftes Kosmologieverständnis nicht. Das war die Strafe dafür, daß sie sich schon als Studentin so ausschließlich auf die Elementarteilchenphysik konzentriert hatte und in der kosmologischen Pflichtvorlesung mit schöner Regelmäßigkeit eingeschlafen war.
    Trotzdem war sie schon zufrieden, daß die Temperaturveränderungen sich im exponentiellen Bereich bewegten und damit Max’ Zeitverschiebungsgleichung bestätigten. Fermi hatte nicht ganz recht gehabt; es war ungemein beruhigend, für seine Theorie eine Bestätigung zu erhalten.
    »Was mache ich als nächstes?«
    »Haben Sie in letzter Zeit mal den Durchmesser kontrolliert?«
    »Ja – er scheint um etwa zwei Millimeter abgenommen zu haben.«
    Alicia zog die Augenbrauen hoch. »Der Cosm ist wirklich kleiner geworden?«
    »Sieht so aus.«
    »Er wächst also in seiner eigenen Raumzeit wie verrückt, kann aber zugleich in der unseren sogar ein wenig schrumpfen«, staunte sie.
    »Komisch, was?«
    »Wir haben nicht zu urteilen, wir haben zu messen und zu berichten – das Glaubensbekenntnis des Experimentalphysikers.«
    Zak grinste. »Jawoll, Ma’am. Weitere Befehle, Ma’am?«
    »Weitermachen.« Mehr hatte sie ihm nicht zu sagen.
    »Sie sehen so aus, als brauchten Sie dringend Erholung.«
    »Schon möglich.«
    »Ich komme hier auch eine Weile allein zurecht.«
    Sein besorgter Blick erfüllte sie mit tiefer Dankbarkeit. Sie hatte sich mit voller Kraft wieder in die Arbeit gestürzt, aber nun war sie einfach am Ende. Schlaf wäre wichtig, gewiß, aber noch wichtiger war Zeit zum Nachdenken. Sie nickte stumm und ging.
    Da die Versuchsanlage im Observatorium inzwischen fast automatisch lief, wagte sie es, Zak die Aufsicht zu überlassen und sich einen kleinen Urlaub zu gönnen. Am nächsten Morgen stieg sie in den Miata und fuhr für zwei Tage zum Wandern nach Idylwild in die Berge. In der High School und auf dem College hatte sie sich noch für Mannschaftssportarten begeistert und war eine recht gute Basket- und Volleyballspielerin gewesen. Doch seit sie immer mehr zur Einzelgängerin wurde und sich in die Physik vergrub, kamen Betätigungenwie Schwimmen und Wandern ihren Neigungen mehr entgegen. Manchmal trainierte sie sogar im Fitness-Studio, obwohl sie sich dabei jedesmal vorkam wie eine Laborratte in einem Dauerexperiment.
    Wandern war jetzt genau das richtige. Sie bestieg den Mount San Jacinto, genehmigte sich eine herzhafte Mahlzeit in einem Steakrestaurant und schlief wie eine Tote. Sie blieb ganz für sich, dachte über den Cosm nach und las nicht einmal eine Zeitung.

 
    2 Alicia kam erst

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