Cosmic Trigger (Band 3)
Jahre alt war. Seine politische Haltung entsprang der
antifaschistischen Bewegung der 30er Jahre. Diese Spannung zwischen
shakespearescher graustufenartiger Ambiguität und idealistischer
Schwarz/Weiß-Moral unterliegt all den Ironien und Ängsten, die Welles´
Filmen
ihren pessimistischen Humanismus verleihen. Nachdem Quinlan stirbt,
zitiert
eine Madam ein Epitaph – obwohl dies schon zitiert wurde, ist es wert,
es
nochmals zu erwähnen (da es unsere Beobachtungen nicht abschwächt,
sondern die
Unsicherheiten nur verstärkt): „He was a kind man. What does it matter
what you
say about People?“
In
einem tieferen Sinne verfügt Touch
of Evil über Aspekte eines magischen Tricks. Die meisten
Interpreten
stimmen darin überein, dass Quinlan zum Schluss, als er stirbt, unsere
Sympathien gewonnen hat. Es bleibt eine Kuriosität, dass es Welles, der
all die
‚Tricks’ kannte, einen Bösewicht sympathisch erscheinen zu lassen – und
der den
charmantesten Soziopathen, den man je gesehen hat in The
Third Man selbst gespielt hat – systematisch vermied, eines der gewöhnlichen
Mittel zu
gebrauchen, um Quinlan menschlich erscheinen zu lassen. Selbst als
Make-up-Künstler bei diesem Film auftretend, gestaltete er Quinlan so
hässlich
wie einen Zirkusfreak. Er polsterte seinen ohnehin schon korpulenten
Körper
auf, um eine obszöne Schlaffheit zu erzeugen. Streng kontrollierte er
seinen
unbezähmbaren Humor und gab Quinlan keine der geistreichen Sprüche, die
er
seinen anderen Bösewichtern gab. Insgesamt repräsentiert Quinlan das,
was die
Sechziger mit dem Wort ‚PIG’ gemeint haben.
Und
doch, als Quinlan versucht,
betrunken das Blut seines Partners von seinen Händen zu waschen –
völlig
unpassend in dreckigem, trüben Wasser –, treten wir in einem bösen,
surrealistischen Sinne einer shakespeareschen Tragödie entgegen, die
dieses
rassistische Schwein zu einem fehlerbehafteten Helden erhebt. Wenn
Quinlan dann
tot in das selbe dreckige Wasser fällt, ist er inzwischen der
Mittelpunkt des
Films und Vargas, der konventionelle Held, zu einem Deus ex
Machina geworden, der Maschine, die Captain Hank Quinlan zerstört. (Charlton
Heston
beschreibt Vargas in der BBC-Dokumentation Orson Welles: A
Life in Film als „einen Zeugen“ der Tragödie Quinlans.)
Da
Welles als Liberaler immer gesagt
hat, dass er Quinlan verachtet – obwohl er in derselben Dokumentation
auch
sagte: ‚Every villain has his reasons’ –, so können wir doch nicht
erklären,
wie aus diesem Monster im letzten Drittel des Films ein tragischer Held
wurde.
James Naremore fand in The Magic World of Orson Welles einige
‚menschliche’ Aspekte in Quinlan, doch ich glaube nicht, dass er damit
irgendjemand anderen als sich selbst überzeugen konnte. (Natürlich weiß
jeder –
sobald Quinlan auf die Leinwand kommt – dass dieses fette, lahmende
Wrack, das
von Alkohol und Fresssucht geplagt ist, eine schreckliche innere
Verletzlichkeit besitzt. Wir können, sofern wir das wollen, annehmen,
dass
seine Süchte einen schrecklichen Selbstzweifel nahe legen, den er
selbst
niemals verbal ausgedrückt hat. [ 17 ] )
Quinlan
steht in der Reihe mit Macbeth
und Othello und Lear einfach deshalb, weil Orson Welles ihn dahin
gestellt hat. Und Welles vollbrachte dies
ausschließlich mit dem ‚magischen Trick’ des künstlerischen Rhythmus´.
Die
Struktur von Touch of Evil – die Teile des
Uhrwerks, die ineinander
einrasten und dadurch ein ästhetisches Ganzes ergeben – erzeugen ein
tragisches
Crescendo, das genauso klassisch ist wie Welles´
Shakespeare-Verfilmungen ( Macbeth, 1948; Othello, 1952; Chimes at Midnight, 1966). Quinlan dient als
eine tragische Figur, denn die tragische Struktur des Ganzen – der
abstrakten
künstlerischen Form – erhebt ihn aus der schweinischen Welt in die Welt
der
Filmpoesie.
Eine
der ersten Lehren des Marihuana:
Die Welt beinhaltet zu viele Informationen, als dass sie in irgendein
Modell
passen könnten. Die zweite Lehre: Jedes Modell, das du erzeugst,
verändert die
beobachtbaren Informationen so lange, bis sie zu dem Modell passen. In
den
Augen eines Paranoikers erscheinen die besten Freunde als Mitglieder
einer
Verschwörung. Und betrachtet durch die Augen eines shakespeareschen
Humanisten
wie Orson Welles wird aus Hank Quinlan nicht nur ein stiernackiges
rassistisches Schwein, sondern auch ein vergrößertes und verzerrtes
Bild der
Schwächen von uns allen.
Und
dieser einzigartige Noir -Fall
eines film Noir erinnert
Weitere Kostenlose Bücher