Cottage mit Aussicht
Ihre eigenen Gefühle würde das nicht beeinträchtigen, das wusste Anna, aber es würde die Konkurrenz vertreiben.
»Mach ein fröhlicheres Gesicht, Anna!«, rief Amanda. »Nimm noch einen Drink! Wir sind hier, um uns zu amüsieren!«
»Ich bin fröhlich«, erwiderte Anna und versuchte, trotz ihrer Nervosität auch so auszusehen. »Ich trinke einfach immer langsam.«
»Nun, Gott sei Dank, dass ihr nicht alle erpicht darauf seid zu trinken, bis ihr nur noch lallt«, meinte Chrystal, die sich schon seit einer ganzen Weile an einer Schorle festhielt. »Abgesehen von allem anderen ist Alkohol so schlecht für eure Haut.«
Anna leerte ihr Glas. »Andererseits wäre noch ein Drink vielleicht eine gute Idee.«
Sie legte ihre Handtasche auf die Theke und versuchte, die Aufmerksamkeit des Kellners auf sich zu lenken. »Wollen wir alle noch einen?«, fragte sie.
»Mein liebes Mädchen«, bemerkte Chrystal mit gedämpfter Stimme. »Sieh dir deine Hände an!«
Zu ihren Gunsten musste gesagt sein, dass Chrystal versucht hatte, diskret zu sein, aber ihre Worte waren mit einem kurzen Schweigen zusammengefallen, und jetzt betrachtete die ganze Gruppe Annas Hände. Chrystal ergriff ihre Linke und spreizte die Finger auseinander.
»Ich habe Nagellack aufgelegt«, verteidigte Anna sich.
»Auf die Nägel, die du noch hast!« Chrystal war entsetzt.
»Ich habe es euch doch erzählt, ich renoviere ein Haus. Das ist ziemlich abträglich für die Fingernägel.«
»Als du sagtest, du würdest ein Haus renovieren«, warf Amanda ein, »dachte ich, du hättest die Handwerker da. Ich habe nicht angenommen, dass du die Arbeiten höchstpersönlich erledigst.«
»Wirklich beeindruckend«, fand Zara. »Du meinst, du schwingst selbst Hammer und Nägel und solche Dinge?«
»Ja.«
»Aber Süße, deine Hände!«, rief Chrystal. »Sie sehen so aus, als hättest du damit Steine aus den Klippen gekratzt.«
Anna betrachtete ihre Finger abermals. Ihrer Meinung nach sahen sie nicht schlecht aus, doch andererseits war sie daran gewöhnt. Hände waren schließlich dafür da, mit ihnen zu arbeiten. »Ich habe Handschuhe dabei«, erklärte sie.
»Handschuhe?«, wiederholte Amanda. »Welche Art von Handschuhen?«
»Diese Art.« Anna holte sie aus ihrer Tasche, streifte sie über und zog sie hoch, bis sie ihre Ellbogen bedeckten.
»Oh, wow«, rief Zara. »Die sind fabelhaft. Daneben wirken wir Übrigen - nun, mit Ausnahme von Chrystal natürlich - so verdammt langweilig.«
»Wirst du keine Probleme haben, damit zu essen?«, erkundigte Chrystal sich.
»Ich werde sie wahrscheinlich ziemlich bald ausziehen«, meinte Anna, der die Aufmerksamkeit, die ihren Accessoires zuteil wurde, peinlich war. »Wird es nicht langsam Zeit zu gehen?«
»Wolltest du nicht vorher noch einen Drink?«, hakte Zara nach.
»Darling, sie kann in diesen hohen Schuhen schon in nüchternem Zustand kaum laufen. Betrunken hätte sie so viele Chancen wie eine Katze in der Hölle«, verkündete Chrystal.
Zara runzelte die Stirn. »Also, wollen wir dann gehen?«
Anna erkannte Max Gordons Rücken, sobald sie durch die Tür traten. Er war umringt von jungen Männern aus Annas College-Jahrgang, und doch ragte er als der attraktivste unter ihnen heraus, noch bevor sie seine Stimme gehört oder seine sexy Augen gesehen hatte. Gerade als die Frauen hereinkamen, drehte er sich zufällig um.
»Wow!«, murmelte Zara. »Er ist also nicht alt und fett geworden.«
Anna wünschte, es wäre anders gewesen. Tatsächlich schien er in den drei Jahren, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, noch attraktiver geworden zu sein.
»Von mir aus hätte er sich in eine Dörrpflaume verwandeln können«, meinte Amanda.
»Unsinn! Er ist der Himmel auf Beinen. Lass uns rübergehen.«
Anna wagte es nicht, sich allein in Bewegung zu setzen, und folgte den anderen brav zu den Männern hinüber. Langsam wünschte sie sich, sie wäre nicht gekommen. Seit sie so unentwegt beschäftigt war, hatte sie nicht mehr so viel an ihn gedacht - und nun stand er vor ihr, in Fleisch und Blut, genauso atemberaubend wie früher. Jetzt würde sie sich wirklich sehr konzentrieren müssen, ihr Haus fertig zu bekommen, denn ihre Gedanken würden bei jeder besseren oder schlechteren Gelegenheit auf Irrwege geraten.
Es waren auch einige der Männer da, die sie auf dem College gekannt hatte, und Zara, die ein gutes Gedächtnis hatte, machte alle miteinander bekannt. »Und das ist Anna«, sagte sie schließlich.
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