Cotton-Malone 03 - Der Pandora-Pakt
die Welt sich wirklich um Aids schert? Sehen Sie das Ganze doch mal realistisch, Grant. Es wird viel geredet und wenig getan. Aids ist eine ungewöhnliche Krankheit, die vor allem Farbige, Schwule und Drogenabhängige tötet. Es ist, als wäre durch diese Epidemie ein riesiger, halb verfaulter Baumstamm zur Seite gerollt worden, und darunter wären all die unappetitlichen existenziellen Seiten unseres Lebens zum Vorschein gekommen, wie Sex, Tod, Macht, Geld, Liebe, Hass und Angst. Durch unsere jeweilige Sicht auf diese Krankheit, die Vorstellungen, die wir uns von ihr machen, ihre Erforschung und die Finanzierung ihrer Folgen ist Aids die politischste Krankheit geworden.«
Ihm kamen wieder Karyn Waldes Worte in den Sinn: Das Virus bringt noch nicht die richtigen Leute um.
»Was ist mit den anderen Pharmaunternehmen?«, fragte Lyndsey. »Hatten Sie keine Angst, dass die ein Heilmittel finden könnten?«
»Das war ein Risiko, aber ich habe unsere Konkurrenten genau im Auge behalten. Und sie waren nicht besonders erfolgreich mit ihrer Forschung.« Er fühlte sich gut. Er genoss es, nach all der Zeit endlich über dieses Thema zu sprechen. »Würden Sie gerne sehen, wo die Bakterien leben?«
Die Augen seines Mitarbeiters leuchteten auf. »Hier?«
Vincenti nickte. »Hier in der Nähe.«
65
Samarkand
09.15 Uhr
Zwei von Zovastinas Leibwächtern führten Cassiopeia aus dem Flugzeug. Man hatte ihr gesagt, dass diese sie zum Palast bringen würden, wo man sie festhalten würde.
Als sie neben der offenen Wagentür stand, sagte sie zu Zovastina: »Sie wissen, dass Sie sich ziemlichen Ärger eingehandelt haben.«
Ihr war klar, dass Zovastina nicht scharf darauf war, diese Diskussion hier auf dem Flugfeld vor dem Flughafenpersonal und ihren Leibwächtern zu führen. Im Flugzeug, als sie unter sich gewesen waren, wäre Gelegenheit dazu gewesen, doch Cassiopeia hatte während der letzten beiden Flugstunden absichtlich geschwiegen.
»Ärger gehört hier zum Leben«, erwiderte Zovastina.
Cassiopeia wurde mit ihren mit Handschellen gefesselten Händen auf den Rücksitz verfrachtet, als sie beschloss, zum Schlag auszuholen. »Sie haben sich bei den Gebeinen geirrt.«
Zovastina schien nachzudenken. Venedig war in jeder Hinsicht ein Misserfolg für sie gewesen, weswegen es Cassiopeia nicht wunderte, dass die Chefministerin näher trat und fragte: »Wie das?«
Die Flugzeugdüsen heulten, und ein kräftiger Frühlingswind wirbelte die qualmverpestete Luft auf. Cassiopeia saß ruhig auf dem Rücksitz und sah durch die Windschutzscheibe nach draußen. »Es gab wirklich etwas zu finden.« Sie sah die Chefministerin an. »Und Sie haben es übersehen.«
»Diese Andeutungen werden Ihnen auch nicht helfen.«
Cassiopeia ließ sich nicht einschüchtern. »Wenn Sie das Rätsel lösen wollen, werden Sie handeln müssen.«
Zovastina war leicht zu durchschauen. Diese Teufelin war garantiert davon ausgegangen, dass sie, Cassiopeia, einiges wusste. Warum hätte sie sie sonst hierherbringen sollen? Cassiopeia war bisher vorsichtig gewesen, da ihr klar war, dass sie nicht zu viel enthüllen durfte. Schließlich hing ihr Leben davon ab, was sie an Informationen zurückhalten konnte.
Einer der Leibwächter trat vor und flüsterte Zovastina etwas ins Ohr. Für einen kurzen Moment war ihr der Schock über das Gehörte klar anzusehen. Dann nickte Zovastina, und der Leibwächter zog sich zurück.
»Gibt es Ärger?«, fragte Cassiopeia.
»Das gehört zu den Nachteilen, die die Position der Chefministerin mit sich bringt. Aber wir beide unterhalten uns später.«
Und damit marschierte sie davon.
Die Haustür stand offen. Es war nichts kaputt, und es gab keinerlei Anzeichen für ein gewaltsames Eindringen. Im Innern des Hauses erwarteten sie zwei Männer ihrer Heiligen Schar. Zovastina sah einen der beiden wütend an und fragte: »Was ist geschehen?«
»Den beiden Wachleuten wurde in den Kopf geschossen. Irgendwann spät letzte Nacht. Die Pflegerin und Karyn Walde sind verschwunden. Ihre Kleider sind noch hier. Der Wecker der Pflegerin war auf sechs Uhr früh gestellt. Nichts deutet darauf hin, dass sie vorhatten aufzubrechen.«
Sie ging ins Schlafzimmer. Das Atemgerät stand still, und der Schlauch des Tropfs hing lose herab. War Karyn geflohen? Aber wohin sollte sie sich wenden? Zovastina kehrte in die Eingangshalle zurück und fragte die beiden Männer: »Gibt es Zeugen?«
»Wir haben in den Nachbarhäusern gefragt, aber keiner hat etwas
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