Cotton-Malone 03 - Der Pandora-Pakt
gehört oder gesehen.«
Und all das war ausgerechnet geschehen, während sie weg war. Es konnte kein Zufall sein. Einer Eingebung nachgebend, griff sie nach einem der Telefone und rief ihre Privatsekretärin an. Sie erklärte dieser, was sie wissen wollte, und wartete dann drei Minuten, bis die Frau den Hörer wieder aufnahm und sagte: »Vincenti hat die Föderation gestern Nacht um 02.40 Uhr betreten. Er kam in seinem Privatflugzeug und hat sein Dauervisum benutzt.«
Sie vermutete noch immer, dass Vincenti hinter dem Attentatsversuch gesteckt hatte. Und jetzt musste er gewusst haben, dass sie die Föderation verlassen hatte. Allein die Informationen, über die Henrik Thorvaldsen und Cassiopeia Vitt verfügten, wiesen darauf hin, dass es offensichtlich einige undichte Stellen in ihrer Regierung gab, aber wie sollte sie das ändern?
»Frau Ministerin«, meldete sich ihre Sekretärin wieder am Telefon, »ich wollte Sie gerade suchen. Sie haben Besuch.«
»Vincenti?«, fragte sie vorschnell.
»Nein, ein anderer Amerikaner.«
»Der Botschafter?« In Samarkand wimmelte es nur so von Botschaften, und die Besuche ihrer jeweiligen Vertreter kosteten Zovastina viel Zeit.
»Edwin Davis, der Stellvertretende Nationale Sicherheitsberater des amerikanischen Präsidenten. Er hat das Land vor einigen Stunden mit einem Diplomatenpass betreten.«
»Völlig unangekündigt?«
»Er ist einfach in den Palast gekommen und hat darum gebeten, Sie zu sprechen. Er will nicht verraten, warum er hier ist.«
Auch das war kein Zufall.
»Ich bin gleich da.«
66
Samarkand
10.30 Uhr
Malone trank eine Cola Light und sah zu, wie der Lear Jet 36A sich dem Flughafen näherte. Samarkands Flughafen lag nördlich der Stadt und hatte nur eine einzige Rollbahn, auf welcher nicht nur der kommerzielle Flugverkehr, sondern auch Privatmaschinen und Militärflugzeuge starteten und landeten. Dank des F16-E Strike Eagle, den Präsident Daniels ihm hatte zur Verfügung stellen lassen, hatte er sowohl Viktor als auch Zovastina auf dem Herflug von Italien in der Luft überholt. Mit dem Hubschrauber war er rasch die fünfzig Meilen zur Aviano Air Base gebracht worden, und der Flug nach Osten hatte mit der Überschallgeschwindigkeit von zweitausend Stundenkilometern kaum mehr als zwei Stunden gedauert. Zovastina und der Lear Jet, der jetzt heranrollte, hatten dagegen fast fünf Stunden gebraucht.
Zwei F15-Kampfjets waren ohne Zwischenfall eingetroffen, da die Vereinigten Staaten auf allen Flughäfen und Flugbasen Samarkands ein uneingeschränktes Landerecht besaßen. Angeblich waren die USA ja Verbündete der Föderation, doch Malone war klar, dass die Unterscheidung zwischen Freund und Feind in diesem Teil der Welt gelinde gesagt eher verschwommen war. Der andere Kampfjet hatte Edwin Davis hergebracht, der sich inzwischen im Palast befand. Präsident Daniels hätte es vorgezogen, Davis nicht zu involvieren, hatte aber klugerweise eingesehen, dass Malone ein Nein nicht akzeptieren würde. Außerdem habe der Plan, wie der Präsident mit einem Kichern bemerkt hatte, ja auch immerhin eine zehnprozentige Erfolgsaussicht.
Malone trank den letzten Rest der Cola, die für amerikanische Verhältnisse zwar fad schmeckte, aber genießbar war. Auf dem Flug hatte er eine Stunde geschlafen; es war das erste Mal seit zwanzig Jahren, dass er sich in einem Kampfjet befand. Zu Beginn seiner Karriere bei der Marine hatte er gelernt, die Maschinen zu fliegen, doch dann war er Anwalt geworden und ins Judge Advocate General’s Corps gewechselt. Freunde seines Vaters aus Marinezeiten hatten ihn zu dieser Entscheidung gedrängt.
Sein Vater.
Er war ein Marinekommandant gewesen. Bis zu dem Augusttag, an dem das U-Boot, dessen Kapitän er war, gesunken war. Malone war damals zehn gewesen, aber die Erinnerung an diese Zeit machte ihn immer noch traurig. Als er dann zur Marine ging, besetzten die Kameraden seines Vaters inzwischen hochrangige Positionen, und sie hatten Pläne mit Forrest Malones Sohn. Aus Respekt vor ihnen und seinem Vater hatte er getan, worum sie ihn baten – und war schließlich Agent des Magellan Billet geworden.
Er hatte seine Entscheidung nie bereut und eine bemerkenswerte Karriere im Justizministerium gemacht. Selbst nachdem er sich aus dem Dienst zurückgezogen hatte, hatte die Welt ihn nicht vergessen. Da war die Geschichte mit dem Templerorden gewesen. Dann die mit der Bibliothek von Alexandria. Und jetzt das Grab Alexanders des Großen. Er
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