Cotton-Malone 03 - Der Pandora-Pakt
umkreiste die flache Grube.
Ein Reiter wollte nach dem Boz greifen, doch sie hieb ihm mit der Peitsche auf die Hand. Dann riss sie heftig am Zügel, brachte Bukephalos fast zum Stehen, ließ ihn im Kreis herumwirbeln und schoss erneut auf den Kadaver zu, bevor die anderen sie wieder einholen konnten.
Zwei Reiter stürzten zu Boden.
Obwohl Zovastina ständig spucken musste, weil sie beim Einatmen Matsch und Gras in den Mund bekam, genoss sie den Geruch der schwitzenden Pferde.
Sie nahm die Peitsche wieder zwischen die Zähne und beugte sich vor. Mit einer Hand hielt sie sich am Sattel fest, während sie mit der anderen den Kadaver vom Boden hochriss. Wo Kopf und Beine der Ziege abgeschnitten worden waren, spritzte das Blut heraus. Sie zerrte die tote Ziege hoch, hielt sie fest und lenkte Bukephalos dann nach links.
Nun gab es nur noch drei Regeln.
Man durfte den Kadaver nicht festbinden. Man durfte dem, der ihn hielt, nicht mit der Peitsche auf die Hand schlagen. Und man durfte die Pferde nicht zu Fall bringen.
Es wurde Zeit, den Pfahl zu umkreisen.
Sie trieb Bukephalos an.
Die gegnerische Mannschaft kam näher.
Ihre Mannschaft galoppierte zu ihrer Verteidigung heran.
Der Kadaver war schwer, er wog vielleicht dreißig Kilo, doch mit ihren starken Armen konnte sie ihn mühelos halten. Noch immer sickerte Blut auf ihre Hände und Ärmel.
Ein Schlag auf die Wirbelsäule ließ sie herumfahren.
Zwei gegnerische Reiter griffen sie an.
Und dahinter stürmten noch mehr Reiter auf sie zu.
Der Hufschlag, der vom schrillen Wiehern der Pferde durchbrochen wurde, klang auf der feuchten Erde wie Donner. Ihre Tschopenos kamen zu ihrer Verteidigung. Schläge fielen. Sie hielt den Boz mit schmerzenden Armen fest umklammert.
Der Pfahl stand fünfzig Meter entfernt.
Das Spielfeld erstreckte sich hinter dem Sommerpalast auf einer grasbewachsenen Ebene, die von einem dichten Wald begrenzt wurde. Die Sowjets hatten den Komplex als Erholungszentrum für die Parteielite genutzt, weswegen er auch immer noch stand. Zovastina hatte die Anlage verändert, aber klugerweise ein paar Eigenheiten aus der russischen Besatzungszeit beibehalten.
Immer mehr Reiter stürzten sich in das Getümmel der kämpfenden Mannschaften.
Peitschen knallten.
Männer stöhnten vor Schmerz.
Beschimpfungen flogen hin und her.
Zovastina übernahm die Führung, aber nur knapp. Wenn sie den Pfahl umrundete und sich auf den Rückweg zum Kreis der Gerechtigkeit machte, musste sie langsamer werden, und dann hätten alle Gelegenheit, sich auf sie zu stürzen. Ihre Mannschaft hatte ihr zwar bis jetzt den Gefallen getan, sich zurückzuhalten, doch nun erlaubten die Spielregeln jedem, den Boz zu stehlen und damit selbst zum Ziel zu stürmen.
Sie beschloss, alle zu überraschen.
Mit einem Fersenstoß lenkte sie Bukephalos nach rechts.
Es war nicht verboten, das Spielfeld zu verlassen. Die Spieler konnten überallhin reiten und taten das auch. Zovastina ließ die meisten Tschopenos links hinter sich und ritt im Bogen bis zum Rand des Spielfeldes, der von hohen Baumreihen gesäumt war. Sie könnte wieder – wie früher schon – zwischen den Bäumen hindurchreiten, doch heute zog sie einen anderen Weg vor.
Bevor ihre Mitspieler reagieren konnten, schlug sie einen Haken nach links und ritt im Zickzack übers Feld, wodurch sie den anderen Reitern den Weg abschnitt und sie kurz zum Abstoppen zwang.
Diese Sekunde des Zögerns gab ihr den nötigen Vorsprung, um den Pfahl zu umrunden.
Die anderen folgten ihr.
Sie wandte ihre Aufmerksamkeit nach vorn.
Fünfzig Meter entfernt wartete ein Reiter. Er war dunkelhäutig, trug einen Bart und betrachtete sie mit unbewegter Miene. Er saß hoch aufgerichtet im Sattel, und sie sah, wie seine Hand mit einer Pistole aus seinem Lederumhang hervorkam. Er erwartete sie, die Waffe dicht am Körper.
»Komm, Bukephalos, wir zeigen ihm, dass wir keine Angst haben.«
Das Pferd galoppierte weiter.
Der Mann mit der Waffe rührte sich nicht. Zovastina starrte ihn nieder. Niemand würde sie je zum Rückzug zwingen.
Die Waffe richtete sich auf sie.
Ein Schuss hallte übers Feld.
Der Mann mit der Pistole schwankte und stürzte auf den nassen Boden. Sein erschrecktes Pferd galoppierte ohne Reiter davon.
Zovastina ließ Bukephalos den noch warmen Körper des Mannes mit den Hufen zerstampfen und ritt dann über die Leiche hinweg.
Die anderen Spieler hatten bei der Leiche angehalten.
Das Erschießen eines Mitspielers war absolut
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