Cotton Malone 04 - Antarctica
Identität führen könnte.
Er trat zu einem der Schlafzimmerfenster und schob die untere Scheibe hoch. Rasch wälzte er sich hinaus. Auf dieser Seite des Hauses schien keiner zu sein. Er schloss das Fenster wieder. Eigentlich hätte er sich mit den Angreifern hier befassen müssen, doch er war schon viel zu viele Risiken eingegangen.
Er beschloss, einen klugen Ausweg zu suchen.
Mit dem Gewehr in der Hand verschwand er im Wald.
»Sind Sie vollkommen verrückt geworden?«, schrie Stephanie Davis von unten an.
Davis blieb auf der Veranda stehen.
»Er ist weg«, sagte er.
Sie stieg vorsichtig die Treppe hinauf, ohne seinen Worten zu trauen.
»Ich habe gehört, wie ein Fenster aufging und wieder geschlossen wurde.«
»Das bedeutet nicht, dass er weg ist, es bedeutet nur, dass ein Fenster geöffnet und wieder geschlossen wurde.«
Davis trat durch die zerschmetterte Glastür.
»Edwin …«
Er verschwand in der Dunkelheit, und sie eilte hinter ihm her. Er war auf dem Weg ins Schlafzimmer. Ein Licht ging an, und sie langte bei der Tür an. Davis maß Herbert Rowlands Puls.
»Er schlägt kaum noch. Und offensichtlich hat er nicht das Geringste gehört. Er befindet sich im Koma.«
Sie machte sich noch immer Sorgen wegen des Mannes mit dem Jagdgewehr. Davis griff nach seinem Handy, und sie sah, dass er drei Ziffern eintippte.
Den Notruf.
49
Washington, D. C.
01.30 Uhr
Ramsey hörte, dass jemand an der Haustür klingelte. Er lächelte. Er hatte still dagesessen und einen Thriller von David Morrell gelesen, einem seiner Lieblingsautoren. Gemächlich klappte er das Buch zu, ließ seinen nächtlichen Besucher aber noch ein bisschen zappeln. Schließlich stand er auf, ging in die Eingangshalle und machte auf.
Draußen in der Kälte stand Senator Aatos Kane.
»Sie gottverdammter, jämmerlicher …«, begann Kane.
Ramsey zuckte die Schultern. »Eigentlich fand ich meine Reaktion eher milde in Anbetracht der Grobheit, mit der Ihr Berater mir begegnet ist.«
Kane stürmte ins Haus.
Ramsey forderte den Senator nicht zum Ablegen auf. Offensichtlich hatte die Ladenbesitzerin seinen Auftrag schon ausgeführt und Kane über dessen Berater – dasselbe unverschämte Arschloch, das ihn auf der Capitol Mall hatte einschüchtern wollen – die Botschaft zukommen lassen, dass sie Informationen über das Verschwinden einer Beraterin besaß, die vor drei Jahren für den Senator gearbeitet hatte. Diese Frau war ein attraktiver Rotschopf aus Michigan gewesen und tragischerweise einem Serienmörder zum Opfer gefallen, der in Washington und Umgebung sein Unwesen getrieben hatte. Der Massenmörder wurde schließlich gefunden, nachdem er Selbstmord begangen hatte, und die Angelegenheit hatte im ganzen Land für Schlagzeilen gesorgt.
»Sie jämmerliches Schwein«, schrie Kane. »Sie hatten gesagt, dass es vorbei ist.«
»Setzen wir uns doch.«
»Ich möchte mich nicht setzen. Ich möchte Sie prügeln, bis Sie umfallen.«
»Das würde absolut nichts ändern.« Er bohrte gerne in der Wunde. »Ich behalte trotzdem die Oberhand. Sie müssen sich also eine Frage stellen. Wollen Sie die Chance auf das Präsidentenamt haben? Oder ziehen Sie die sichere Entehrung vor?«
Kanes Wut paarte sich mit einem eindeutigen Unbehagen. Aus dem Inneren der Falle sah der Blick auf die Welt doch ganz anders aus.
Sie maßen sich weiter mit kämpferischen Blicken wie zwei Löwen, die unter sich abklären, wer als Erster von der Beute frisst. Schließlich nickte Kane. Ramsey führte den Senator in sein Arbeitszimmer, wo sie sich setzten. Der Raum war klein, was eine unangenehme Vertraulichkeit erzwang. Kane schien sich angemessen unbehaglich zu fühlen.
»Ich bin gestern Abend und heute Vormittag zu Ihnen gekommen, um Ihre Hilfe zu erbitten«, sagte Ramsey. »Eine offene Bitte an jemanden, den ich für einen Freund hielt.« Er hielt inne. »Doch man begegnete mir mit nackter Arroganz. Ihr Berater verhielt sich maßlos unhöflich. Natürlich folgte er nur seinen Anweisungen. Daher meine Reaktion.«
»Sie sind ein betrügerisches Schwein.«
»Und Sie sind ein fremd gehender Ehemann, der seinen Fehltritt mit dem opportunen Tod eines Serienmörders verdecken konnte. Sie gewannen sogar, wenn ich mich recht entsinne, das Mitgefühl der Öffentlichkeit für den tragischen Tod Ihrer Beraterin, indem Sie sich über ihr Schicksal zutiefst betroffen zeigten. Was würden Ihre Wähler und Ihre Familie denken, wenn sie erführen, dass das Opfer kurz zuvor
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