Cotton Malone 04 - Antarctica
viel bedeutete.
Eine letzte Haarnadelkurve und der Eingang des im Felsenkessel gelegenen Klosters tat sich vor ihm auf. Er blieb stehen, um Atem zu schöpfen, und genoss einen weiteren Panoramablick. In der Ferne wirbelte der Schnee im eiskalten Wind.
Links und rechts von ihm erstreckten sich hohe Steinmauern. Falls er seiner Lektüre Glauben schenken konnte, waren diese Mauern Zeugen der Römer, der Westgoten, der Sarazenen, der Franken und der Albigenserkreuzzüge geworden. Um diesen strategisch wichtigen Punkt waren viele Schlachten geschlagen worden. Die Stille schien geradezu körperlich zu sein, was dem Ort etwas Feierliches verlieh. Seine Geschichte lag wahrscheinlich mit den Toten begraben, und sein Ruhm war weder in Stein eingemeißelt noch auf Pergament geschrieben.
Das Leuchten Gottes.
War das wieder nur eine Fantasie? Oder eine Tatsache?
Er legte das verbliebene Dutzend Meter zurück, trat vor ein schmiedeeisernes Tor und entdeckte eine mit einem Vorhängeschloss gesicherte Kette.
Na großartig.
Die Mauern waren zu hoch zum Überklettern.
Er streckte die Hand aus und packte das Gitter. Die Kälte drang durch seine Handschuhe. Und jetzt? Sollte er die Umfassungsmauer entlanggehen und nach irgendeiner Öffnung suchen? Das schien die einzige Möglichkeit zu sein. Er war müde, und er kannte dieses Stadium der Erschöpfung gut – der Geist verirrte sich leicht in einem Gewirr von Möglichkeiten, und jede vermeintliche Lösung führte in eine Sackgasse.
Frustriert rüttelte er am Gitter.
Die Stahlkette glitt herunter und fiel zu Boden.
53
Charlotte
Stephanie ließ sich Rowlands Worte durch den Kopf gehen und fragte: »Wollen Sie damit behaupten, dass die NR-1A unbeschädigt war?«
»Ich sage einfach nur, dass Ramsey von dem Tauchgang das Logbuch mitgebracht hat.«
Davis warf ihr einen Blick zu. »Ich hatte Ihnen ja gesagt, dass der Drecksack da ganz tief drin steckt.«
»War Ramsey derjenige, der versucht hat, mich zu ermorden?«, fragte Rowland.
Sie hatte nicht vor, ihm eine Antwort zu geben, sah aber, dass Davis da anderer Meinung war.
»Er verdient es, Bescheid zu wissen«, sagte Davis.
»Die Sache ist ohnehin schon aus dem Ruder gelaufen. Soll es noch schlimmer werden?«
Davis sah Rowland an. »Wir glauben, dass er dahintersteckt.«
»Wir wissen es allerdings nicht«, fügte Stephanie eilig hinzu. »Aber die Möglichkeit ist eindeutig gegeben.«
»Er war immer schon ein Scheißkerl«, sagte Rowland. »Nachdem wir zurückkamen, war er derjenige, der den ganzen Nutzen aus der Sache gezogen hat. Nicht ich oder Sayers. Sicher, wir wurden auch ein paar Mal befördert, aber wir sind nie so weit gekommen wie er.« Rowland stockte, eindeutig ermüdet. »Admiral. Er ist bis ganz nach oben gekommen.«
»Vielleicht sollten wir später weitermachen«, sagte Stephanie.
»Kommt nicht in Frage«, erwiderte Rowland. »Keiner, der es auf mein Leben abgesehen hat, kommt ungeschoren davon. Wenn ich nicht im Bett läge, würde ich ihn eigenhändig umbringen.«
Stephanie wunderte sich über diese zur Schau gestellte Tapferkeit.
»Heute Nacht habe ich meinen letzten Schluck Alkohol getrunken«, sagte Rowland. »Schluss damit. Das meine ich ernst.«
Zorn war anscheinend ein wirksames Medikament. Rowlands Augen loderten.
»Erzählen Sie uns alles«, sagte Stephanie.
»Was wissen Sie über die Operation Highjump?«
»Wir kennen nur die offizielle Version«, erklärte Davis.
»Die ist völliger Quatsch.«
Admiral Byrd nahm sechs R4-D-Flugzeuge mit in die Antarktis. Jedes war mit Hightech-Kameras und Magnetometern ausgerüstet. Zum Start vom Flugzeugträgerdeck verwendete man Katapulte mit Raketenantrieb. Die Flugzeuge verbrachten mehr als zweihundert Stunden in der Luft und legten dreiundzwanzigtausend Meilen über dem Kontinent zurück. Von einem der letzten Kartierungsflüge kam Byrds Flugzeug mit drei Stunden Verspätung zurück. Offiziell war einer seiner Motoren beschädigt, wodurch sich der Rückflug verlangsamt hätte. Doch in Byrds privatem Flugbuch, das er dem damaligen Oberkommandierenden der Navy übergab, stand eine ganz andere Erklärung.
Byrd war über dem von den Deutschen Neuschwabenland genannten Gebiet unterwegs gewesen. Er flog gerade im Landesinneren über eine konturenlose, weiße Fläche nach Westen, als er ein eisfreies Gebiet entdeckte, in dem drei Seen lagen, zwischen denen nackte, rötlich braune Felsmassen aufragten. Die Seen selbst waren in rötlichen, bläulichen und
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