Cotton Malone 04 - Antarctica
errichtet, eine Metropole der Pyrenäen, die zu einem Zentrum von Kultur und Handel geworden war. Doch während der Bruderkriege der fränkischen Könige im sechsten Jahrhundert war die Stadt geplündert, niedergebrannt und zerstört worden. Nicht ein einziger Einwohner war verschont geblieben. Kein Stein war auf dem anderen geblieben. Nur ein einziger Steinbrocken stand noch zwischen kahlen Feldern und schuf etwas, was ein zeitgenössischer Chronist eine »Einsamkeit der Stille« nannte. Die dauerte an, bis Karl der Große zweihundert Jahre später dort eintraf und die Errichtung eines Klosters anordnete, das aus einer Kirche, einem Stiftshaus, einem Kreuzgang und einem nahe gelegenen Dorf bestand. Einhard überwachte den Bau persönlich und setzte den ersten Abt Bertrand ein, der sowohl für seine Frömmigkeit als auch für sein Verwaltungsgeschick berühmt wurde. Bertrand starb 820 am Fuße des Altars und wurde unter dem Bauwerk begraben, das er Kirche von St. Lestelle genannt hatte.
Die Fahrt von Toulouse hatte Malone durch eine Reihe pittoresker Gebirgsdörfer geführt. Er hatte die Gegend schon mehrmals besucht, zuletzt im vergangenen Sommer. Abgesehen von Namen und Einwohnerzahl unterschieden sich die zahllosen Orte kaum. In Ossau zogen sich unregelmäßige Häuserreihen an den steilen, gewundenen Straßen entlang, die Bruchsteinfassaden waren mit Ornamenten, Wappen und Kragsteinen verziert. Nur die Ziegeldächer bildeten ein Durcheinander von Winkeln wie aufs Geratewohl in den Schnee geworfene Bauklötze. Aus Kaminen quoll Qualm in die kalte Luft. Der Ort hatte etwa tausend Einwohner, und vier Gasthäuser standen den Besuchern offen.
Malone fuhr ins Dorfzentrum und parkte. Eine schmale Gasse führte auf einen offenen Platz. Menschen in warmer Kleidung und mit verschlossenen Blicken gingen in den Läden ein und aus. Seine Uhr zeigte neun Uhr vierzig.
Er sah an den Dächern vorbei auf den klaren Morgenhimmel und folgte mit den Augen einer Steilwand nach oben, wo ein quadratischer Turm sich auf einem Felsausläufer erhob. Links und rechts davon schienen sich die Überreste weiterer Türme an den Fels zu klammern.
Die Ruinen von St. Lestelle.
Stephanie stand Davis gegenüber an Herbert Rowlands Krankenhausbett. Rowland wirkte erschöpft, war aber wach.
»Sie haben mir das Leben gerettet?«, fragte er mit einer Stimme, die kaum lauter als ein Flüstern war.
»Mr. Rowland«, sagte Davis. »Wir arbeiten für die Regierung. Wir haben nicht viel Zeit. Wir müssen Sie ein paar Dinge fragen.«
»Sie haben mir das Leben gerettet?«
Stephanie warf Davis einen Blick zu, der besagte: Lassen Sie mich das machen. »Mr. Rowland, heute Abend ist ein Mann gekommen, um Sie zu töten. Wir wissen nicht, wie er es angestellt hat, aber er hat Sie in ein diabetisches Koma befördert. Zum Glück waren wir da. Fühlen Sie sich in der Lage, ein paar Fragen zu beantworten?«
»Warum sollte er meinen Tod wollen?«
»Sie erinnern sich an die Holden und an die Antarktis?«
Sie sah zu, wie er anscheinend in seiner Erinnerung suchte.
»Das ist sehr lange her«, antwortete Rowland schließlich.
Sie nickte. »Richtig. Aber deswegen wollte er Sie töten.«
»Für wen arbeiten Sie?«
»Für einen Geheimdienst.« Sie zeigte auf Davis. »Und er ist Mitarbeiter im Weißen Haus. Commander Alexander, der Kapitän der Holden, wurde gestern Nacht ermordet. Einer der Lieutenants, der mit Ihnen an Land ging, Nick Sayers, ist vor ein paar Jahren gestorben. Wir glaubten, dass Sie das nächste Opfer sein könnten, und wir hatten recht.«
»Ich weiß nichts.«
»Was haben Sie in der Antarktis gefunden?«, fragte Davis.
Rowland schloss die Augen, und sie fragte sich, ob er eingenickt war. Ein paar Sekunden später öffnete er die Augen wieder und schüttelte den Kopf. »Ich habe den Befehl erhalten, niemals darüber zu sprechen. Mit niemandem. Admiral Dyals hat mich höchstpersönlich dazu aufgefordert.«
Sie wusste, wer Raymond Dyals war. Der ehemalige Oberkommandierende der Navy.
»Er hat die Fahrt der NR-1A befohlen«, sagte Davis.
Das hatte sie nicht gewusst.
»Wissen Sie über das U-Boot Bescheid?«, fragte Rowland.
Sie nickte. »Wir haben den Bericht über seinen Untergang gelesen und vor seinem Tod mit Commander Alexander gesprochen. Sagen Sie uns daher bitte, was Sie wissen.« Sie beschloss, ihm klarzumachen, worum es ging. »Ihr Leben könnte davon abhängen.«
»Ich muss mit dem Trinken aufhören«, sagte Rowland. »Der
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