Cotton Malone 04 - Antarctica
wissend, mächtig, liebevoll und, wichtiger als alles, menschlich. Er hat im siebten Jahrhundert vor Christus von ihnen geschrieben. Seine Schriften sind bis heute erhalten. Wollen Sie den Text hören?«
»Deshalb sind wir gekommen«, erklärte Stephanie.
»Die vor alters tüchtig waren als Meister, waren im Verborgenen eins mit den unsichtbaren Kräften. Tief waren sie, so dass man sie nicht kennen kann. Weil man sie nicht kennen kann, darum kann man nur mit Mühe ihr Äußeres beschreiben. Zögernd, wie wer im Winter einen Fluss durchschreitet, vorsichtig, wie wer von allen Seiten Nachbarn fürchtet, zurückhaltend wie Gäste, vergehend wie Eis, das am Schmelzen ist, einfach wie unbearbeiteter Stoff. Interessante Worte aus einer lange zurückliegenden Zeit.«
Das war tatsächlich eigenartig.
»Wissen Sie, was die Welt verändert hat? Was den Lauf der menschlichen Geschichte für immer gewandelt hat?« Scofield wartete nicht auf eine Antwort. »Das Rad? Das Feuer?« Er schüttelte den Kopf. »Da war mehr. Die Schrift. Die war entscheidend. Als wir lernten, unsere Gedanken aufzuzeichnen, so dass andere sie noch Jahrhunderte später nachlesen konnten, hat das die Welt verändert. Sowohl die Sumerer als auch die Ägypter haben schriftliche Aufzeichnungen über ein Volk hinterlassen, das sie besucht und belehrt hat. Es handelte sich um Personen, die normal aussahen und lebten und starben, genau wie die anderen Menschen. Das ist nicht einfach nur meine Idee, sondern eine historische Tatsache. Wussten Sie, dass die kanadische Regierung gerade jetzt eine archäologische Unterwasserstätte vor den Queen-Charlotte-Inseln auf Spuren einer Zivilisation untersucht, von deren Existenz wir bislang nichts wussten? Es handelt sich um eine Art Basislager, das einmal am Ufer eines alten Sees lag.«
»Woher kamen diese Besucher?«, fragte Stephanie.
»Sie kamen übers Meer. Sie navigierten mit großer Kundigkeit. Jüngst wurden vor Zypern alte Navigationsinstrumente gefunden, die zwölftausend Jahre alt sind. Es sind mit die ältesten je dort entdeckten Artefakte. Dieser Fund bedeutet, dass das Mittelmeer zweitausend Jahre früher befahren und Zypern zweitausend Jahre früher besiedelt wurde als bisher angenommen. In Kanada wurden Seefahrer von reichen Riementangvorkommen angelockt. Es ist nur logisch, dass diese Menschen sich für Ernährung und Handel besonders geeignete Orte aussuchten.«
»Wie schon gesagt«, warf Davis ein. »Alles nur Science-Fiction.«
»Wirklich? Wussten Sie, dass Prophezeiungen über göttergleiche Wohltäter, die übers Meer kommen, einen bedeutenden Teil des indianischen Legendenschatzes darstellen? Maya-Aufzeichnungen berichten vom Popol-Vuh, einem Land, wo Licht und Dunkelheit beieinander wohnten. Prähistorische Höhlen- und Felsmalereien in Afrika und Ägypten zeigen ein unbekanntes Seevolk. Höhlenbilder in Frankreich, die auf ein Alter von zehntausend Jahren datiert wurden, zeigen bequem bekleidete Männer und Frauen. Sie tragen nicht die Felle und Knochen, die man üblicherweise mit den Menschen dieser Zeit assoziiert. Eine in Rhodesien gefundene Kupfermine wurde auf ein Alter von siebenundvierzigtausend Jahren datiert. Die Mine scheint mit einer bestimmten Absicht ausgebeutet worden zu sein.«
»Geht es hier um Atlantis?«, fragte Davis.
»Atlantis gibt es nicht«, antwortete Scofield.
»Ich wette, hier im Hotel gibt es einen Haufen Leute, die anderer Meinung sind.«
»Und sie irren sich. Atlantis ist eine Sage. Es ist ein in vielen Kulturen wiederkehrendes Thema, so wie die Große Flut zu allen Weltreligionen gehört. Atlantis ist eine romantische Vorstellung, aber die Realität ist nicht so fantastisch. Weltweit wurden in geringen Meerestiefen in der Nähe von Küsten alte, überflutete Bauten aus der Megalithzeit gefunden. In Malta, Ägypten, Griechenland, Libanon, Spanien, Indien, China und Japan – überall sind sie zu finden. Sie wurden vor der letzten Eiszeit errichtet, und als um zehntausend vor Christus das Eis schmolz, stieg der Meeresspiegel und überflutete die Stätten. Das sind die wahren Atlantisse, und hier ist Ockhams Skalpell anzuwenden. Man braucht keine komplizierten Erklärungen, wenn einfache genügen. Alle Erklärungen sind rational.«
»Und was ist hier die rationale Erklärung?«, fragte Davis.
»Während die Höhlenmenschen gerade erst lernten, mit Steinwerkzeugen das Feld zu bestellen und in primitiven Dörfern zu leben, gab es schon ein Volk, das
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