Cotton Malone 04 - Antarctica
darum, dass sie sich mit ihrem Mann aussöhnte, da sie ein gemeinsames Zimmer erhalten hatten, in dem nur ein einziges schmales Bett stand. Als sie den Wirt um ein zweites Bett gebeten hatte, hatte der geantwortet, es gebe keines.
»So schlimm ist es doch gar nicht«, sagte Werner.
»Hängt davon ab, wie man schlimm definiert.«
Tatsächlich fand sie die Situation belustigend. Sie beide benahmen sich wie zwei Halbwüchsige bei ihrer ersten Verabredung. In einer Hinsicht wirkte ihre Notlage komisch, in einer anderen tragisch. Der enge Raum machte es ihr unmöglich, der vertrauten Ausdünstung seines Rasierwassers, seines Pfeifentabaks und des Nelkengeruchs seines Kaugummis zu entgehen. Und diese Gerüche erinnerten sie ständig daran, dass er nicht zu den zahllosen Männern gehörte, die sie in letzter Zeit vernascht hatte.
»Das ist zu viel, Werner. Und viel zu schnell.«
»Ich glaube kaum, dass du die Wahl hast.«
Er stand beim Fenster, die Arme im Rücken verschränkt. Sie war noch immer von seiner Tat in der Kirche verblüfft. »Hast du geglaubt, dass der Killer mich tatsächlich erschießen würde?«
»Die Lage hatte sich geändert, nachdem ich den anderen erschossen hatte. Der Killer war gereizt und zu allem fähig.«
»Du hast diesen Mann so bedenkenlos getötet.«
Er schüttelte den Kopf. »Nicht bedenkenlos, aber es war notwendig. Es ist gar nicht so viel anders, als einen Hirsch zu schießen.«
»Mir war gar nicht bewusst, dass so etwas in dir steckt.«
»In den letzten Tagen ist mir einiges über mich selbst klar geworden.«
»Diese Männer in der Kirche waren Dummköpfe, sie hatten nur ihre Bezahlung im Sinn.« Wie die Frau in der Abtei, dachte sie. »Sie hatten absolut keinen Grund, uns zu vertrauen.«
Seine Mundwinkel verzogen sich nach unten. »Warum vermeidest du das Thema, das auf der Hand liegt?«
»Mir scheint, hier ist weder die Zeit noch der Ort, über unser Privatleben zu diskutieren.«
Er zog ungläubig die Augenbrauen hoch. »Es gibt keine bessere Zeit. Wir werden bald einige unumkehrbare Entscheidungen fällen.«
Die Entfremdung der vergangenen Jahre machte es ihr schwer, so genau wie früher zu bemerken, wenn er sie betrog. Sie hatte ihn so lange schon ignoriert – ihn einfach machen lassen, was er wollte. Jetzt verfluchte sie ihre Gleichgültigkeit. »Was willst du, Werner?«
»Das Gleiche, was du willst. Geld, Macht und Sicherheit. Dein Geburtsrecht.«
»Meines, nicht deines.«
»Interessant, dieses Geburtsrecht. Dein Großvater war ein Nazi. Ein Mann, der Adolf Hitler verehrte.«
»Er war kein Nazi«, erklärte sie.
»Er hat ihnen nur bei ihren bösen Plänen geholfen. Hat es ihnen leichter gemacht, Menschen abzuschlachten.«
»Das ist doch absurd.«
»Was ist mit diesen lächerlichen Theorien über die Arier und unser angebliches Erbe? Dass wir eine besondere Rasse seien, die von einem besonderen Ort stamme? Himmler hat diesen Mist geliebt. Das hat genau zur mörderischen Propaganda der Nazis gepasst.«
Verwirrende Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Da waren Dinge, die ihre Mutter ihr erzählt hatte, und andere Dinge, die sie als Kind gehört hatte. Die unverhohlen ultrarechte Einstellung ihres Großvaters. Seine Weigerung, jemals etwas Schlechtes über das Dritte Reich zu sagen. Und ihr Vater hatte darauf beharrt, dass Deutschland nach dem Krieg nicht besser dran war als vor dem Krieg und dass die Teilung Deutschlands schlimmer war als alles, was Hitler je angerichtet hatte. Ihre Mutter hatte recht. Die Familiengeschichte der Oberhausers musste verborgen bleiben.
»Du bist hier besser vorsichtig«, flüsterte Werner.
Etwas an seinem Tonfall beunruhigte sie. Was wusste er?
»Vielleicht erleichtert es dein Gewissen, mich für einen Dummkopf zu halten«, sagte er. »Vielleicht kannst du damit rechtfertigen, dass du mich und unsere Ehe ablehnst.«
Sie ermahnte sich, still zu sein, denn er war ein Experte darin, sie zu ködern.
»Aber ich bin kein Dummkopf.«
Sie war neugierig. »Was weißt du über Christl?«
Er zeigte auf die Tür. »Ich weiß, dass sie dort mit Malone im Zimmer ist. Du verstehst, was das bedeutet?«
»Erkläre es mir.«
»Sie schmiedet ein Bündnis. Malone hat Verbindungen zu den Amerikanern. Deine Mutter hat ihren Verbündeten sorgfältig ausgewählt – Malone kann Hebel in Bewegung setzen, ohne die wir nicht weiterkommen. Wie sollten wir sonst in die Antarktis gelangen? Christl handelt auf Geheiß deiner Mutter.«
Er hatte recht.
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