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Cotton Malone 04 - Antarctica

Cotton Malone 04 - Antarctica

Titel: Cotton Malone 04 - Antarctica Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Berry
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Bücherladen arbeitete. Wenn er sich dagegen auf einer Mission befand, schien das Bedürfnis nach Essen fast völlig zu verschwinden.
    Er hatte zugehört, wie Isabel, ihre Töchter und Werner Lindauer sich über Hermann und Dietz Oberhauser unterhielten. Die Spannung zwischen den Töchtern war mit Händen zu greifen. Ulrich Henn hatte ebenfalls mit ihnen gegessen, und Malone hatte Henn genau beobachtet. Der Ostdeutsche hatte schweigend dagesessen und sich nicht anmerken lassen, dass er auch nur zuhörte, sich dabei aber kein Wort entgehen ließ.
    Isabel führte das Wort, und Malone hatte bemerkt, mit welchen wechselnden Gefühlen die anderen auf ihre unstete Art reagierten. Keine der beiden Töchter wagte es, sie herauszufordern. Sie stimmten entweder zu oder sagten gar nichts. Auch Lindauer sagte kaum etwas Brauchbares.
    Malone ließ den Nachtisch aus und beschloss, nach oben zu gehen.
    In der großen Eingangshalle gab brennendes Feuerholz einen warmen Schein ab und erfüllte den Raum mit einem harzigen Duft. Er blieb stehen und genoss das Feuer, wobei ihm an den Wänden gerahmte Zeichnungen des Klosters auffielen. Die eine Skizze bildete die Türme von außen ab. Alles war intakt, und er bemerkte ein Datum in einer Ecke: 1784. Die anderen beiden Zeichnungen hielten das Klosterinnere fest. Die eine zeigte den Kreuzgang, dessen Bögen und Säulen nicht länger nackt waren. Vielmehr waren sie in regelmäßigen Abständen mit Steinmetzarbeiten verziert. In der Mitte des Kreuzganggartens stand der Springbrunnen in all seiner Pracht, und Wasser floss aus ihm in ein Eisenbecken über. Malone stellte sich vor, wie Gestalten mit Kapuzen über den Köpfen von einem Steinbogen zum anderen gewandelt waren.
    Die letzte Zeichnung zeigte das Kircheninnere.
    Der Blick ging von der Vorhalle zum Altar, und zwar von der rechten Seite aus, auf der Malone sich vorhin von Säule zu Säule dem Killer genähert hatte. Von Verfall war nichts zu sehen. Stattdessen vereinigten sich Stein, Holz und Glas zu einem erstaunlichen Ganzen – halb gotisch, halb romanisch. Steinerne Ornamente verzierten die Säulen, zahlreich, aber doch zierlich und unauffällig. Nichts erinnerte an den Verfall, in dem die Kirche sich jetzt befand. Ihm fiel auf, dass ein Bronzegitter den Altarbereich umschloss. Die karolingischen Girlanden erinnerten an das Gitter, das er in Aachen gesehen hatte. Der Boden war unversehrt und detailreich abgebildet, verschiedene Schattierungen von Grau und Schwarz standen für ein vielfältiges, einst buntes Muster. Das Datum auf den Zeichnungen war mit 1772 angegeben.
    Der Wirt stand hinter dem Empfangstisch. Malone fragte: »Sind das Originale?«
    Der Mann nickte. »Sie hängen schon lange hier. Unser Kloster war einmal prachtvoll, aber das ist vorbei.«
    »Was ist geschehen?«
    »Kriege. Vernachlässigung. Die Witterung. All das hat das Bauwerk zerstört.«
    Bevor Malone vom Tisch aufgestanden war, hatte er gehört, wie Isabel Henn losschickte, die Leichen aus der Kirche fortzuschaffen. Das Faktotum zog jetzt seinen Mantel an und verschwand in die Nacht.
    Malone spürte einen kalten Windstoß von der Eingangstür her, und dann gab ihm der Wirt den Schlüssel. Langsam stieg er eine Holztreppe zu seinem Zimmer hinauf. Er hatte keine Kleider zum Wechseln mitgebracht, und die Kleidung, die er trug, musste gewaschen werden, insbesondere sein Hemd. Im Zimmer warf er Jacke und Handschuhe aufs Bett und zog sein Hemd aus. Dann ging er ins winzige Bad, wusch das Hemd mit ein wenig Seife in einem Emaillebecken aus und legte es zum Trocknen über die Heizung.
    Er stand im Unterhemd da und betrachtete sich im Spiegel. Seit er sechs war, trug er immer ein Unterhemd – diese Gewohnheit war ihm eingeimpft worden. »Es ist nicht schön, mit nackter Brust herumzulaufen« , hatte sein Vater immer gesagt. » Willst du, dass deine Kleider nach Schweiß stinken?« Malone hatte seinen Vater nie in Frage gestellt, er hatte ihm einfach nachgeeifert und immer ein Unterhemd getragen – mit tiefem V-Ausschnitt, denn »dass man ein Unterhemd trägt heißt nicht, dass jeder es sehen muss« . Interessant, wie mühelos sich solche Kindheitserinnerungen abrufen ließen. Die gemeinsame Zeit mit seinem Vater war so kurz gewesen. Er konnte sich an etwa drei Jahre erinnern, vom Alter von sieben Jahren bis zehn. Die Fahne, die beim Gedenkgottesdienst seines Vaters entfaltet worden war, stand noch immer in einer Vitrine neben seinem Bett. Seine Mutter hatte das

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