Cotton Malone 04 - Antarctica
Erinnerungszeichen bei der Trauerfeier abgelehnt und gesagt, sie habe genug von der Navy. Doch als Malone ihr acht Jahre später erklärte, dass er zur Navy gehen werde, hatte sie nichts einzuwenden gehabt. »Was wäre von Forrest Malones Sohn wohl sonst zu erwarten?« , hatte sie ihn gefragt.
Und er hatte zugestimmt. Was sonst?
Er hörte ein leises Klopfen und trat aus dem Bad, um die Tür aufzumachen. Christl stand davor.
»Darf ich?«, fragte sie.
Er nickte zustimmend und machte leise die Tür hinter ihr zu.
»Ich möchte dir sagen, dass mir das, was heute dort oben passiert ist, nicht gefallen hat. Deshalb bin ich hier. Ich habe Mutter gesagt, dass sie dich nicht betrügen soll.«
»Ganz anders als du, natürlich.«
»Seien wir ehrlich, okay? Hätte ich dir gesagt, dass ich die Verbindung zwischen Einhards Testament und der Inschrift schon hergestellt hatte, wärst du dann auch nur mit nach Aachen gekommen?«
Wahrscheinlich nicht. Aber er blieb stumm.
Sie las die Antwort in seinem Gesicht. »Das habe ich jedenfalls nicht geglaubt.«
»Ihr geht massenhaft richtig dumme Risiken ein.«
»Es steht viel auf dem Spiel. Mutter wollte, dass ich dir etwas sage, aber nicht vor Dorothea oder Werner.«
Er hatte sich schon gefragt, wann Isabel ihr Versprechen von verdammt guten Informationen einlösen würde. »Okay, wer hat versucht, mich umzubringen?«
»Ein Mann namens Langford Ramsey. Sie hat sogar mit ihm gesprochen. Er hat die Männer losgeschickt, die uns in Garmisch, in Reichshoffen und in Aachen aufgelauert haben. Auch die vier Männer heute kommen von ihm. Er will deinen Tod. Er ist der Leiter des amerikanischen Navy-Geheimdienstes. Mutter hat ihm vorgegaukelt, sie sei seine Verbündete.«
»Das ist ja einmal etwas Neues. Mein Leben in Gefahr bringen, um es zu retten.«
»Sie versucht, dir zu helfen.«
»Indem sie Ramsey verraten hat, dass ich heute hier sein würde?«
Sie nickte. »Wir haben das Geiselszenario mit Hilfe dieser Männer absichtlich so arrangiert, dass sie dabei ums Leben kamen. Dass die anderen beiden Männer eingreifen würden, hatten wir nicht erwartet. Sie sollten eigentlich draußen bleiben. Ulrich glaubt, dass sie von den Schüssen herbeigelockt wurden.« Sie zögerte. »Cotton, ich bin froh, dass du hier bist. Unversehrt. Ich wollte, dass du das weißt.«
Er fühlte sich wie ein Mann, der zum Galgen geht, nachdem er sich den Strick selbst geknüpft hat.
»Wo ist dein Hemd?«, fragte sie.
»Wer allein lebt, macht auch seine Wäsche allein.«
Sie lächelte freundlich, was die angespannte Atmosphäre lockerte. »Ich lebe schon mein ganzes Erwachsenenleben allein.«
»Ich dachte, du wärst verheiratet gewesen?«
»Wir haben niemals zusammengelebt. Das war eine dieser Fehleinschätzungen, die man schnell revidiert. Wir hatten ein paar tolle Wochenenden, aber das war es auch schon. Wie lange warst du verheiratet?«
»Beinahe zwanzig Jahre.«
»Hast du Kinder?«
»Einen Sohn.«
»Heißt er wie du?«
»Er heißt Gary.«
In das Schweigen mischte sich ein Gefühl des Friedens.
Sie trug eine blaue Jeans, eine steingraue Bluse und eine marineblaue Strickjacke. Er sah sie noch immer vor sich, wie sie an die Säule gefesselt gewesen war. Dass Frauen ihn belogen, war natürlich nichts Neues. Seine Exfrau hatte ihn jahrelang über Garys Vaterschaft belogen. Stephanie log immer wieder, wenn es nötig war. Selbst seine Mutter, die voller gefesselter Emotionen steckte und selten irgendwelche Gefühle zeigte, hatte ihn über seinen Vater belogen. In ihren Augen war die Erinnerung an ihn vollkommen. Aber Malone wusste, dass das nicht stimmte. Er hatte das verzweifelte Bedürfnis, den Mann zu kennen. Nicht einen Mythos oder eine Legende oder eine Erinnerung. Einfach nur den Mann. Er war müde. »Es ist Zeit, schlafen zu gehen.«
Sie ging um ihn herum zu der Lampe, die neben dem Bett brannte. Er hatte das Badezimmerlicht ausgeschaltet, als er die Tür öffnete, und so war es im Zimmer plötzlich dunkel, als sie an dem Kettchen zog und die Lampe löschte.
»Einverstanden«, sagte sie.
64
Dorothea beobachtete durch ihre einen Spalt weit geöffnete Tür, wie ihre Schwester in Cotton Malones Zimmer trat. Sie hatte ihre Mutter nach dem Essen mit Christl sprechen sehen und sich gefragt, was dabei gesagt worden war. Sie hatte auch Ulrich aufbrechen sehen und wusste, welchen Auftrag er erhalten hatte. Und so fragte sie sich, welche Rolle sie selbst spielen sollte. Offensichtlich ging es
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