Cotton Malone 04 - Antarctica
und so konzentrierte sie sich auf den offenen Kamin und seinen mit Reliefs verzierten Mantel, der aussah, als stammte er aus einem griechischen Tempel.
»Er beobachtet Scofield schon die ganze Zeit.«
»Das machen doch alle.«
»Er hat bisher mit niemandem gesprochen und zwei Mal prüfend aus dem Fenster geschaut. Ich habe einmal Augenkontakt aufgenommen, nur um zu sehen, was geschehen würde, und er hat sich abgewandt. Für meinen Geschmack ist er zu nervös.«
Sie zeigte auf die Dekoration der mächtigen Bronzekronleuchter an der Decke. Dort oben hingen auch mehrere Flaggen, laut Scofield Replikate der Fahnen der ursprünglichen dreizehn Kolonien der amerikanischen Revolution.
»Du weißt eigentlich gar nichts, stimmt’s?«, fragte sie.
»Nenn es ein Gefühl. Jetzt schaut er wieder so aufmerksam aus den Fenstern. Man besichtigt doch eigentlich das, was im Haus ist. Und nicht das, was sich draußen befindet.«
»Was dagegen, dass ich ihn mir selber mal ansehe?«, fragte sie.
»Nur zu.«
Davis sah sich weiter mit gespieltem Staunen im Saal um, während sie beiläufig über den Hartholzboden zum Weihnachtsbaum trat, wo der magere, mit einer Chinohose bekleidete Mann bei einer Gruppe stand. Ihr fiel nichts Bedrohliches an ihm auf, nur dass er Scofield große Aufmerksamkeit schenkte, obgleich ihr Gastgeber gerade in ein Gespräch mit jemand anderem vertieft war.
Sie beobachtete, wie er von dem duftenden Baum wegging und lässig auf eine Tür zuschlenderte, wo er etwas in einen kleinen Mülleimer warf, bevor er in den angrenzenden Raum trat.
Noch für einen Moment blieb sie stehen, dann folgte sie ihm und spähte verstohlen durch die Tür.
Der Mann in Chinohose schlenderte durch ein Billardzimmer, das mit seinen eichengetäfelten Wänden, der Stuckdecke und den dunkelroten orientalischen Teppichen an einen Gentleman’s Club des neunzehnten Jahrhunderts erinnerte. Er betrachtete gerahmte Drucke an den Wänden – war dabei aber nicht sonderlich aufmerksam, wie sie feststellte.
Sie spähte rasch in den Mülleimer und erblickte etwas, das zuoberst lag. Sie bückte sich, nahm es heraus und zog sich in den Bankettsaal zurück.
Sie sah, was sie in der Hand hielt.
Ein Streichholzheftchen aus einem Ruth’s Christ Steakhouse.
In Charlotte, North Carolina.
Malone, der nicht mehr schlafen konnte, weil seine Gedanken rasten, schlüpfte unter der schweren Daunendecke hervor und stand aus dem Bett auf. Er musste nach unten gehen und sich die gerahmte Zeichnung noch einmal ansehen.
Christl wachte auf. »Wohin gehst du?«
Er hob seine Hose vom Boden auf. »Nachschauen, ob ich recht habe.«
»Dir ist etwas aufgefallen?« Sie setzte sich auf und schaltete das Nachttischlämpchen ein. »Was denn?«
Ihre Nacktheit schien sie kein bisschen verlegen zu machen, und ihn machte es kein bisschen verlegen, sie anzustarren. Er schloss den Reißverschluss seiner Hose und schlüpfte in sein Hemd, zog aber keine Schuhe an.
»Warte einen Moment«, sagte sie, stand auf und suchte ihre Kleider.
Unten war die Eingangshalle schwach von zwei Lampen und der noch immer schwelenden Glut im offenen Kamin erhellt. Der Empfang war leer, und er hörte kein Geräusch aus dem Restaurant. Er fand die Zeichnung an der Wand und schaltete noch eine Lampe ein.
»Dieses Bild stammt aus dem Jahr 1772. Damals war die Kirche offensichtlich noch in einem besseren Zustand. Fällt dir etwas auf?«
Er beobachtete, wie sie die Zeichnung studierte.
»Die Fenster sind noch ganz. Buntglas. Statuen. Die Gitter um den Altar scheinen karolingisch zu sein. Wie in Aachen.«
»Das meine ich nicht.«
Er genoss es, dass er ihr endlich einen Schritt voraus war. Er bewunderte ihre schmale Taille, die festen Hüften und die dichten Locken ihres langen, blonden Haars. Sie hatte ihre Bluse nicht in die Hose gesteckt, und so sah er ihren nackten Rücken, als sie die Hand ausstreckte und der Zeichnung auf dem Glas nachfuhr.
Sie wandte sich ihm zu. »Der Boden.«
Ihre hellbraunen Augen glühten.
»Was ist damit?«
»Da ist ein Muster. Es ist schwer zu erkennen, aber da.«
Sie hatte recht. Der Blickwinkel der Zeichnung war aufwärts gerichtet, es ging mehr um die hoch aufragenden Wände und Bögen als um den Boden. Aber vorhin war es ihm aufgefallen. Über den Boden zogen sich dunkle Linien mit helleren Zwischenräumen, ein Quadrat, das ein weiteres Quadrat umfasste, das seinerseits ein drittes Quadrat umfing. Das Muster war vertraut.
»Es ist ein
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