Cotton Malone 04 - Antarctica
können.«
Malone sah aus dem Fenster des Hubschraubers. Das Dröhnen der Rotoren pulsierte in seinen Ohren. Sie flogen westwärts. Strahlendes Sonnenlicht strömte durch die dunkel getönten Gläser, die seine Augen schützten. Sie folgten dem Küstensaum, wo Robben wie riesige Nacktschnecken auf dem Eis lagen und Killerwale auf der Suche nach unvorsichtiger Beute an den Rändern des Eises entlangpatrouillierten. Wie Grabsteine auf einem endlosen, weißen Friedhof ragten hinter der Küste Berge empor, und ihre dunkle Färbung stach heftig vom hellen Schnee ab.
Der Hubschrauber bog nach Süden ab.
»Wir fliegen jetzt in das Schutzgebiet ein«, sagte Taperell über die Flughelme.
Der Australier saß vorne rechts neben dem norwegischen Piloten. Alle anderen hockten im ungeheizten hinteren Abteil. Durch technische Probleme mit dem UH-1 waren sie drei Stunden aufgehalten worden. Keiner war zurückgeblieben. Alle schienen unbedingt wissen zu wollen, was dort draußen zu finden war. Selbst Dorothea und Christl hatten sich beruhigt, auch wenn sie so weit wie möglich voneinander entfernt saßen. Christl trug nun einen andersfarbigen Parka, ihr blutiger war in der Forschungsstation ersetzt worden.
Sie fanden die in der Karte verzeichnete Bucht, deren Form an ein gefrorenes Hufeisen erinnerte und deren Eingang durch Eisberge versperrt war. Blendendes Licht wurde von den bläulich schimmernden Eisbergen zurückgeworfen.
Der Hubschrauber flog über einen Berggrat, der so steil war, dass der Schnee nicht daran haften blieb. Die Sicht war ausgezeichnet, und die Winde waren schwach; nur ein paar feine Zirruswölkchen hingen an einem strahlend blauen Himmel.
Weiter vorn erblickte Malone etwas anderes.
Schnee lag so gut wie keiner dort. Stattdessen waren Boden und Felswände von schwarzem Dolerit, grauem Granit, braunem Schiefer und weißem Kalkstein unregelmäßig gestreift. Granitblöcke in allen Größen und Formen lagen in der Landschaft verstreut.
»Ein Trockental«, sagte Taperell. »Seit zwei Millionen Jahren hat es hier nicht mehr geregnet. Damals türmte das Gebirge sich schneller empor, als die Gletscher sich vorarbeiten konnten, und so blieb das Eis auf der anderen Seite der Berge. Von Süden her wehen Winde vom Hochland herunter und halten das Tal eis- und schneefrei. Im südlichen Teil des Kontinents gibt es viele dieser Trockentäler. Hier sind es nicht ganz so viele.«
»Ist das Tal erkundet worden?«, fragte Malone.
»Wir haben Fossiliensucher, die hier vorbeischauen. Dieses Tal ist eine Schatzgrube. Auch Meteoriten sind hier zu finden. Aber der Vertrag lässt nur eine begrenzte Zahl von Besuchern zu.«
Die Hütte tauchte auf. Am Fuße eines bedrohlich wirkenden, wegelosen Berggipfels bot sie einen sonderbaren Anblick.
Der Hubschrauber flog über das jungfräuliche Felsengelände, schwenkte dann zu einem Landeplatz zurück und landete auf kiesigem Sand.
Alle stiegen aus, Malone als Letzter; ihm wurden die Schlitten mit der Ausrüstung angereicht. Taperell zwinkerte Malone zu, als er ihm seinen Rucksack reichte, zum Zeichen, dass er damit seine Aufgabe erledigt hatte. Der Lärm der Rotoren und eiskalte Luftstöße empfingen Malone im Freien.
Zwei Funkgeräte lagen in den Bündeln. Malone hatte bereits ausgemacht, dass man in sechs Stunden wieder nach ihnen schauen würde. Taperell hatte ihnen gesagt, dass die Hütte ihnen notfalls Schutz bieten würde. Doch es sah so aus, als würde das Wetter die nächsten zehn bis zwölf Stunden stabil bleiben. Tageslicht war kein Problem, da die Sonne erst im März wieder untergehen würde.
Malone signalisierte mit erhobenen Daumen sein Okay, und der Hubschrauber hob ab. Das rhythmische Dröhnen der Rotorblätter entfernte sich leiser werdend über den Berggrat.
Dann waren sie von Stille umgeben.
Jeder seiner Atemzüge knisterte, die Luft war so trocken wie ein Saharawind. Doch die Stille vermittelte kein Gefühl des Friedens.
Die Hütte stand fünfzig Meter entfernt.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte Dorothea.
Malone ging los. »Ich würde sagen, wir fangen mit dem Offensichtlichen an.«
85
Malone näherte sich der Hütte. Taperell hatte recht gehabt. Sie war siebzig Jahre alt, doch ihre hellbraunen Wände sahen so aus, als wären sie gerade erst von der Sägemühle ausgeliefert worden. Auf den Nagelköpfen war nicht das kleinste Fleckchen Rost zu finden. Ein Seil, das zusammengerollt neben der Tür hing, sah wie neu aus. Zwei Fenster waren von
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