Cotton Malone 04 - Antarctica
deutsch wurden austauschbar. Das sind sie noch heute. Die Vorstellung eines flachshaarigen arischen Eroberervolks brachte bei den Deutschen eine Saite zum Klingen – sie schmeichelte ihrer Eitelkeit. Was also als harmlose linguistische Untersuchung begonnen hatte, wurde zum gefährlichen Werkzeug einer rassistischen Ideologie, die Millionen von Menschen das Leben kostete und die Deutschen zu Untaten motivierte, die sie sonst nie verübt hätten.«
»Das ist lange vorbei«, hielt Malone dagegen.
»Ich will Ihnen etwas zeigen, was noch nicht lange vorbei ist.«
Sie führte ihn durch die Ausstellung zu einem Sockel, auf dem vier zerbrochene Steinstücke lagen. In diese waren Buchstaben tief eingraviert. Er bückte sich und untersuchte sie.
»Es sind dieselben wie im Manuskript«, sagte er. »Dieselbe Schrift.«
»Genau dieselben«, stimmte sie zu.
Er stand auf. »Noch mehr skandinavische Runen?«
»Diese Steine kommen aus der Antarktis.«
Das Buch. Die Steine. Die unbekannte Schrift. Sein Vater. Ihr Vater. Die NR-1A. Die Antarktis. »Was wollen Sie eigentlich von mir?«
»Großvater hat diese Steine dort gefunden und hat sie mitgebracht. Mein Vater hat sein Leben mit dem Versuch zugebracht, sie und« – sie hielt das Buch hoch – »diesen Text hier zu entziffern. Beide Männer waren hoffnungslose Träumer. Aber um begreifen zu können, wofür sie gestorben sind – und das gilt für Sie wie für mich –, müssen wir das Rätsel lösen, das Großvater die Suchfahrt Karls des Großen nannte.«
»Woher wissen Sie, dass irgendetwas davon mit dem U-Boot zu tun hat?«
»Vater war nicht zufällig an Bord. Er war Teil dessen, was geschah. Tatsächlich war er sogar der Grund, warum es geschah. Seit Jahrzehnten versuche ich, den geheimen Bericht über die Blazek in die Hände zu bekommen, erfolglos. Aber Sie haben ihn jetzt.«
»Und Sie haben mir immer noch nicht gesagt, woher Sie das wussten.«
»Ich habe Quellen in der Navy. Aus denen habe ich erfahren, dass Ihre ehemalige Chefin, Stephanie Nelle, auf den Bericht zugegriffen und Ihnen eine Kopie geschickt hat.«
»Das erklärt noch immer nicht, woher Sie wussten, dass ich heute auf diesem Berg sein würde.«
»Wie wäre es, wenn wir dieses Geheimnis vorläufig offen ließen.«
»Sie haben Ihre beiden Leute losgeschickt, um den Bericht zu stehlen?«
Sie nickte.
Er mochte ihre hochmütige Art nicht, aber verdammt noch mal, er war fasziniert. Er befand sich unterhalb einer bayrischen Abtei, war von einer Vielzahl alter Steine mit sonderbaren Gravuren umgeben und betrachtete ein Buch, das angeblich von Karl dem Großen stammte und das man nicht lesen konnte. Wenn das, was Dorothea Lindauer sagte, der Wahrheit entsprach, mochte es durchaus eine Verbindung zum Tod seines Vaters geben.
Aber es wäre verrückt, sich mit dieser Frau zusammenzutun.
Er brauchte sie nicht. »Nehmen Sie es nicht übel, aber ich lehne Ihr Angebot ab.« Er wandte sich zum Gehen.
»Einverstanden«, sagte sie, als er zur Tür ging. »Wir beiden könnten niemals zusammenarbeiten.«
Er blieb stehen, drehte sich um und stellte klar: »Nehmen Sie mich nicht noch einmal auf den Arm.«
»Guten Abend, Herr Malone.«
13
Füssen, Deutschland
20.30 Uhr
Wilkerson stand unter den verschneiten Ästen einer Buche und beobachtete den Bücherladen. Dieser lag unmittelbar außerhalb der Fußgängerzone in einer Arkade mit pittoresken Läden, nicht weit von einem lauten Weihnachtsmarkt, wo Menschengedränge und Flutlicht einen Anflug von Wärme in die winterlich kalte Nacht brachten. Der Duft von Zimt, Lebkuchen und gebrannten Mandeln hing in der Luft, zusammen mit dem Geruch von brutzelnden Schnitzeln und Bratwürsten. Hoch oben auf einer Kirche spielte eine Bläserkapelle Bachstücke.
Ein schwacher Lichtschein drang aus dem Fenster des Bücherladens und ließ erkennen, dass der Besitzer pflichtschuldig wartete. Wilkersons Leben würde sich ändern. Langford Ramsey, sein gegenwärtiger Vorgesetzter bei der Navy, hatte ihm versprochen, dass er mit einem goldenen Stern auf den Achselklappen nach Hause zurückkehren würde.
Aber er hatte seine Zweifel an Ramsey.
So war das eben mit den Schwarzen. Man konnte ihnen nicht trauen. Er erinnerte sich immer noch an das Gespräch, das er als Neunjähriger mit seinem Vater geführt hatte. Damals wohnten sie in einer kleinen Stadt im südlichen Tennessee, wo Männer wie sein Vater in den Teppichfabriken ihren Lebensunterhalt verdienten. Wo Schwarze und Weiße
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