Cotton Malone 04 - Antarctica
während und nach dem Krieg.
»Ich hatte das Glück, Verkäufer zu finden, die Bargeld brauchten. Die werden immer seltener. Was mich zur Frage meiner eigenen Bezahlung bringt.«
Wilkerson fischte einen Umschlag aus der Innentasche seines Mantels und reichte ihn weiter. »Zehntausend Euro, wie vereinbart.«
Der Deutsche blätterte die Scheine mit dem Daumen durch, eindeutig zufrieden.
Sie verließen den Tresorraum und kehrten in den vorderen Bereich des Ladens zurück.
Martin kam als Erster beim Vorhang an, fuhr plötzlich herum und richtete eine Pistole auf Wilkerson. »Ich bin kein Amateur. Aber der, für den Sie arbeiten, wer auch immer das ist, muss mich für einen halten.«
Wilkerson versuchte, die Verwirrung aus seinem Gesicht zu verbannen.
»Diese Männer da draußen. Warum sind sie hier?«
»Um mir zu helfen.«
»Ich habe getan, was Sie verlangt haben, habe gekauft, was Sie wollten, und keine Spuren hinterlassen, die zu Ihnen führen könnten.«
»Dann haben Sie keinen Grund zur Sorge. Ich bin nur wegen der Kisten gekommen.«
Martin winkte mit dem Umschlag. »Geht es um das Geld?«
Wilkerson zuckte die Schultern. »Das glaube ich kaum.«
»Sagen Sie dem, der diesen Ankauf bezahlt, dass er mich in Ruhe lassen soll.«
»Woher wissen Sie denn, dass ich nicht selbst kaufe?«
Martin fasste ihn ins Auge. »Jemand benutzt Sie. Oder schlimmer noch, Sie prostituieren sich selbst. Sie haben Glück, dass ich Sie nicht erschieße.«
»Und warum tun Sie das nicht?«
»Ich brauche keine Kugel an Sie zu verschwenden. Sie stellen keine Bedrohung dar. Aber sagen Sie Ihrem Wohltäter, dass er die Finger von mir lassen soll. Jetzt nehmen Sie Ihre Kisten und gehen Sie.«
»Ich brauche Hilfe.«
Martin schüttelte den Kopf. »Die beiden da draußen können im Wagen bleiben. Tragen Sie die Kisten selber hinaus. Aber eines sage ich Ihnen. Ein einziger Trick, und ich erschieße Sie.«
14
Kloster Ettal
Dorothea Lindauer sah auf die glänzenden blaugrauen Steinblöcke, die ihr Großvater wohl aus der Antarktis hergeschafft hatte. Sie hatte die Abtei im Laufe der Jahre nur selten besucht. Die fixen Ideen von Großvater und Vater hatten ihr nur wenig bedeutet. Und als sie jetzt mit den Fingern über die raue Oberfläche der Steine strich und den sonderbaren Buchstaben nachfuhr, um deren Verständnis die beiden gerungen hatten, war sie sic h sicher:
Sie waren Narren gewesen. Alle beide.
Insbesondere aber ihr Großvater.
Hermann Oberhauser war in eine aristokratische Familie re aktionärer Politiker hineingeboren worden, die bei aller Leidenschaft, mit der sie ihren Überzeugungen anhingen, real nur wenig für diese Positionen bewirken konnten. Er hatte sich der antipolnischen Bewegung angeschlossen, die Anfang der Dreißigerjahre in Deutschland im Schwange war, und Geld gesammelt, um die verhasste Weimarer Republik zu bekämpfen. Als Hitler nach der Macht strebte, erwarb Hermann eine Werbefirma, verkaufte den Nationalsozialisten Werbeplatz zu Sonderkonditionen und half beim Aufstieg der Braunhemden von Terroristen zu Staatsführern. Er gründete einen Medienkonzern und wurde Vorsitzender der Deutschnationalen Volkspartei, die schließlich geschlossen zu den Nazis übertrat. Außerdem zeugte er drei Söhne. Zwei davon erlebten das Ende des Krieges nicht, der eine fiel in Russland, der andere in Frankreich. Dorotheas Vater war nur deshalb am Leben geblieben, weil er zum Kämpfen noch zu jung war. Nach Kriegsende wurde ihr Großvater zu einem der zahllosen Enttäuschten, die Hitler zu dem gemacht hatten, was er war, und nun die Schande trugen. Er verlor seine Zeitungsverlage, konnte aber zum Glück seine Fabriken und seine Ölraffinerie behalten, denn da die Alliierten diese brauchten, wurden seine Sünden vielleicht nicht vergeben, aber praktischerweise vergessen.
Dorotheas Großvater hatte außerdem einen irrationalen Stolz auf sein teutonisches Erbe gehegt. Er war ein begeisterter Nationalist gewesen, überzeugt, dass die westliche Zivilisation am Rande des Zusammenbruchs stand und dass ihre einzige Hoffnung im Wiedererlangen alter Wahrheiten lag. Genau wie Dorothea es Malone erzählt hatte, hatte ihr Großvater Ende der Dreißigerjahre sonderbare Symbole in den Giebeln niederländischer Bauernhäuser entdeckt und war zu der Überzeugung gelangt, dass diese – wie auch die Steingravuren aus Schweden und Norwegen und die Steinblöcke aus der Antarktis – arische Hieroglyphen darstellten.
Die Mutter aller
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