Cotton Malone 05 - Der Korse
Wir haben die Situation von hier aus verfolgt, und ich muss sagen, ihr habt da drüben einen ganz schönen Schlamassel. Jetzt kommt noch einmal eine neue Wendung: Vor sechs Minuten hat ein kleines Flugzeug seinen Flugweg verlassen und ist nicht wie geplant auf dem Aéroport de Paris – Le Bourget gelandet.«
Malone kannte den Flugplatz etwa zehn Kilometer weiter nordöstlich. Jahrzehntelang war er Paris’ einziger Flughafen gewesen, berühmt als Landeplatz von Charles Lindberghs erstem Transatlantikflug 1927.
»Dieses Flugzeug ist jetzt in eure Richtung unterwegs«, sagte Daniels.
Malone sah plötzlich das Gesamtbild klar vor sich und sagte: »Dafür also hat Lyon Zeit geschunden.«
»Was sollen wir tun?«, fragte Stephanie.
»Just in diesem Moment landet nördlich von Les Invalides ein NATO-Hubschrauber. Steigen Sie ein. Ich werde Sie dort kontaktieren.«
Eliza genoss die Situation. Den Mienen ihrer Zuhörer sah sie an, dass sie die Gruppe richtig ausgewählt hatte. Jedes einzelne Mitglied war ein beherzter, unerschrockener Unternehmer.
»Bin Laden ist gescheitert, weil bei ihm der gesunde Menschenverstand dem Fanatismus erlegen ist. Er war nicht vorsichtig. Er wollte für alle sichtbar ein Fanal setzen.« Sie schüttelte den Kopf. »Mit solchen Albernheiten kann man keine langfristigen Gewinne generieren.«
»Ich habe kein Interesse daran, Menschen zu töten«, sagte Robert Mastroianni.
»Ich auch nicht. Aber das ist auch gar nicht nötig. Alles, was wir brauchen, ist eine glaubhafte Bedrohung, vor der die Öffentlichkeit Angst hat. Diese Angst wird den richtigen Rahmen für unsere Operationen schaffen.«
»Fürchtet die Welt sich denn nicht schon genug?«, fragte ein anderes Mitglied.
»Doch, allerdings«, antwortete sie. »Wir müssen das nur zu unserem Vorteil ausnutzen.«
Sie rief sich etwas in Erinnerung, was ihre Mutter sie gelehrt hatte. Will man das Vertrauen seiner Zuhörer gewinnen, macht man sie am besten glauben, man hätte ihnen ein Geheimnis anvertraut.
»Wir besitzen die Weisheit der Papyri. Sie waren äußerst lehrreich für Napoleon, und glauben Sie mir, uns können sie ebenfalls Orientierung geben.«
Sie verzog nachdenklich das Gesicht.
»Die Welt hat jetzt schon Angst. Der Terrorismus ist eine reale Bedrohung, das kann keiner von uns ändern. Die Frage ist nur, wie man sich diese Realität zu Nutze macht.«
»Cui bono«, sagte eines der Mitglieder.
Sie lächelte. »Das stimmt. Wer profitiert? Dieses lateinische Prinzip beschreibt unsere Anstrengungen perfekt.« Sie hob den Finger, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. »Haben Sie jemals überlegt, wer vom Terrorismus profitiert? Der Bedarf an Sicherheitsdienstleistungen – Flughafen- und Gebäudeüberwachung – ist explodiert. Wer kontrolliert das alles? Wer sorgt für die Sicherheit des Flugverkehrs, vom Datenverkehr ganz zu schweigen? Mit diesen lebenswichtigen Dienstleistungen werden Gewinne erwirtschaftet. Die Versicherungskonzerne florieren ebenfalls. Die Militarisierung von Luft, Land, Wasser, Ozeanen und Weltraum schreitet immer schneller voran. Nichts ist zu teuer, um uns vor einer Bedrohung zu schützen. Im Rahmen des War on Terror werden schwindelerregende Summen für Logistik, Waffen und Baumaßnahmen ausgegeben. In diesem Kampf sind private Militärfirmen stärker engagiert als das Militär selbst. Dort werden unfassbar hohe Gewinne gemacht. Der Wert mancher Aktien von Gesellschaften, die kriegsunterstützende Dienste anbieten, ist seit 2001 um fünf- bis achthundert Prozent gestiegen.«
Sie lächelte mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Manches des eben Gesagten ist offensichtlich, wie mir bewusst ist. Aber es gibt andere, unauffälligere Methoden, Gewinn zu machen. Über diese möchte ich nach dem Essen mit Ihnen reden.«
»Was haben Sie vor?«, fragte Ashby. »Ich bin verdammt neugierig.«
Daran hegte sie keinen Zweifel. Sie selbst war ebenfalls neugierig. Sie fragte sich zum wiederholten Mal, ob Ashby ein Freund oder ein Feind war.
»Lassen Sie es mich auf diese Weise erklären. In den späten Neunzigerjahren erlebten Südkorea, Thailand und Indonesien beinahe einen finanziellen Zusammenbruch. Schließlich wurden sie vom Internationalen Währungsfond mit einem Sanierungsplan gerettet. Damals arbeitete unser Mitglied Robert Mastroianni beim IWF, er weiß also, wovon ich spreche.«
Mastroianni nickte zustimmend.
»Während dieser Sanierung plünderten Investoren alle drei Länder wirtschaftlich aus und
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