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Cotton Malone 05 - Der Korse

Cotton Malone 05 - Der Korse

Titel: Cotton Malone 05 - Der Korse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Berry
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entlang weiter, dessen Decke kaum höher war als sein Kopf. Der Lichtstrahl von Meagans Taschenlampe drang etwa fünfzehn Meter in den Gang vor.
    »Norstrum« , rief er in die Dunkelheit hinein.
    Er fragte sich, warum er ungehorsam gewesen und hierhergekommen war, aber die Aussicht auf ein Abenteuer war einfach zu verlockend gewesen. Die Höhlen lagen nicht weit von der Schule entfernt, alle wussten über sie Bescheid. Komisch, dass nie jemand das Wort Waisenhaus verwendete. Es hieß immer die Schule. Oder das Institut. Wer waren seine Eltern? Er hatte keine Ahnung. Er war bei seiner Geburt ausgesetzt worden, und die Polizei hatte nie herausgefunden, wie er nach Christchurch gekommen war. Die Schule legte Wert darauf, dass die Schüler alles über sich erfuhren, was möglich war. Es gab keine Geheimnisse – diese Regel fand er tatsächlich gut –, aber für ihn hatte es einfach nichts zu erfahren gegeben.
    »Sam. «
    Norstrums Stimme.
    Man hatte ihm gesagt, Norstrum habe ihn bei seiner Ankunft in der Schule Sam Collins genannt, nach einem geliebten Onkel.
    »Wo sind Sie?« , rief Sam in die Dunkelheit hinein.
    »Nicht weit. «
    Er richtete seine Taschenlampe nach vorn und ging weiter.
    »Hier ist es«, sagte Meagan, als der Gang in eine Halle mit vielen Ausgängen und einer hohen, gewölbten Decke mündete, die von Steinpfeilern gestützt wurde. Meagan leuchtete die rauen Wände mit der Taschenlampe an, und Sam erblickte zahllose Graffiti, Malereien, Inschriften, Cartoons, Mosaike, Gedichte und sogar Liedzeilen.
    »Das hier ist ein Amalgam der Sozialgeschichte«, sagte sie. »Diese Zeichnungen stammen aus der Zeit der Französischen Revolution, der preußischen Belagerung im späten neunzehnten Jahrhundert und der deutschen Besatzung in den Neunzehnhundertvierzigerjahren. Der Pariser Untergrund war immer eine Zufluchtsstätte vor Krieg, Tod und Zerstörung,«
    Eine Zeichnung fiel ihm ins Auge. Die Skizze einer Guillotine.
    »Die stammt aus der Zeit der Grande Terreur« , sagte Meagan von hinten. »Ist zweihundert Jahre alt. Ein Zeugnis aus einer Phase, als blutige Tode hier zum Alltag gehörten. Das hier wurde mit schwarzem Rauch gezeichnet. Die Steinhauer jener Zeit hatten Kerzen und Öllampen bei sich und hielten die Flammen dicht an die Wand, so dass Kohlenstoff in den Stein eingebacken wurde. Ziemlich raffiniert.«
    Er zeigte mit seiner Taschenlampe auf das Bild. »Das stammt aus der Französischen Revolution?«
    Sie nickte. »Das hier ist eine Zeitkapsel, Sam. Der ganze Untergrund ist so. Verstehen Sie jetzt, warum ich es hier mag?«
    Er sah sich die Bilder an. Die meisten wirkten ernsthaft, aber Humor und Satire waren ebenfalls zu entdecken. Dazu kamen einige aufreizende pornographische Darstellungen.
    »Das hier ist ein ziemlich erstaunlicher Ort«, sagte sie in die Dunkelheit hinein. »Ich komme oft hierher. Es ist friedlich und still. Wie eine Rückkehr in den Mutterschoß. Wenn ich dann wieder nach oben gehe, fühle ich mich manchmal wie neugeboren.«
    Er war verblüfft angesichts ihrer Offenheit. Anscheinend gab es doch Risse in ihrer harten Fassade. Dann begriff er.
    »Sie haben Angst, nicht wahr?«
    Sie sah ihn an, und im Licht ihrer Taschenlampe entdeckte er Aufrichtigkeit in ihren Augen. »Sie wissen, dass ich die habe.«
    »Ich habe auch Angst.«
    »Es ist in Ordnung, wenn man Angst hat« , hatte Norstrum gesagt, als er ihn endlich in der Höhle gefunden hatte. »Aber du hättest nicht allein hierherkommen sollen. «
    Das wusste er inzwischen.
    »Die Angst kann ein Verbündeter sein« , sagte Norstrum. »Nimm sie immer mit, um welchen Kampf es auch gehen mag. Sie sorgt dafür, dass du aufmerksam bleibst. «
    »Aber ich will keine Angst haben. Ich hasse es, Angst zu haben. «
    Norstrum legte ihm die Hand auf die Schulter. »Diese Wahl hat man nicht, Sam. Die Angst wird von den Umständen erzeugt. Wie man damit umgeht, das ist alles, was man kontrollieren kann. Konzentriere dich darauf, und du wirst immer Erfolg haben. «
    Sam legte Meagan sanft die Hand auf die Schulter. Es war das erste Mal, dass sie sich berührten, und sie zog sich nicht zurück.
    Zu seiner Überraschung machte ihn das froh.
    »Wir schaffen das«, sagte er.
    »Diese Männer gestern, im Museum, ich glaube, dass sie mir etwas wirklich Schlimmes angetan hätten.«
    »Ist das der eigentliche Grund, weshalb Sie eine Entscheidung erzwungen haben, während ich da war?«
    Ein Zögern, dann nickte sie.
    Er war froh über ihre Ehrlichkeit.

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