Cotton Reloaded - 12: Survival (German Edition)
Alarm. Es gab keinen Beweis, dass da etwas nicht stimmte. Es gab nur Cottons Augen, die jedes Detail ihrer Körpersprache festhielten, und seinen Instinkt, der auf das Ergebnis dieser Beobachtung reagierte.
Mit Logik hatte es also nichts zu tun, als er aufstand und die Cafeteria verließ. Draußen auf dem Korridor blieb er im Rücken der telefonierenden Assistentin stehen, den Blick auf das Panoramafenster mit Aussicht auf das Flugfeld gerichtet.
Von seiner Position aus konnte er zwar hören, was Ms. Harris sagte, aber er verstand kein Wort. Sie sprach fließend Spanisch und beendete ihr Telefonat schließlich mit den Worten: »Adiós Señor.«
Cotton stutzte. Señor?
Sie schaltete ihr Smartphone aus. Regungslos, als müsse sie sich erst einmal sammeln, stand sie da. Geistesabwesend verstaute sie das Handy wieder in ihrer Tasche und atmete tief durch. Sie strich mit den Händen ihren Rock auf den Oberschenkeln glatt, drehte sich um und erblickte den G-Man.
Sie ließ keine Reaktion erkennen. »Belauschen Sie mich etwa?«
»Ich vertrete mir nur etwas die Füße und genieße die Aussicht«, log er. »Habe ich Sie erschrocken?«
»Nein.« Sie kehrte ins Café zurück.
Cotton folgte ihr und setzte sich wieder an seinen Tisch. Sie nahm auf einem freien Stuhl ihm gegenüber Platz und schüttelte mit dem Kopf eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
»Alles in Ordnung?«, erkundigte er sich.
»Ja, alles bestens.« Sie schaute ihn mit einer Miene an, die das genaue Gegenteil ausdrückte.
»Was hat Ihre Chefin gesagt? Bin ich im Team oder nicht?«
»Meine Chefin?« Einen Augenblick wirkte sie irritiert. »Woher wollen Sie wissen, dass ich mit Dr. Mills telefoniert habe?«
»Wen sollten Sie sonst anrufen?«
Er sah ihr an, dass sie nachdachte. Ihre Nervosität, die sie während des Telefonats offenbart hatte, war wieder da.
Sie knetete ihre Finger, als sie antwortete: »Richtig.«
Cotton stutzte erneut. Hatte er eben etwas missverstanden, oder war hier tatsächlich etwas faul?
»Und?«, hakte er nach.
»Also wenn Ihr Vorgesetzter Sie als Ersatzmann bestimmt hat und Sie ohnehin an dem Programm teilnehmen sollten, ist formal gegen Ihre Teilnahme nichts einzuwenden.« Ms. Harris’ Unmut darüber war trotzdem nicht zu überhören. »Und jetzt behelligen Sie mich bitte nicht weiter mit diesem Thema. Wenn hier jemand Fragen stellt, dann ich.«
Schweigen setzte ein. Cotton warf einen Blick zur Tür und wünschte nichts sehnlicher, als dass Decker und Zeerookah eintrafen.
Sein Gebet wurde erhört. Die beiden noch fehlenden Mitglieder seines Teams trafen fast zeitgleich ein, jeweils bestückt mit einer ähnlichen Sporttasche wie Cotton.
»Sie sind spät dran«, empfing Ms. Harris sie, wobei sie skeptisch die Bekleidung des IT-Experten musterte.
Sie entsprach der, die Zeerookah aus diversen B-Movies kannte: kakibrauner Safarianzug mit knielanger Hose inklusive Bügelfalte, Kniestrümpfe und schwere Schnürschuhe. Fehlte nur noch ein Tropenhelm.
Decker hatte sich weniger herausgeputzt. Sie trug ein ausgeblichenes Shirt, festes Schuhwerk und Cargohose. Unaufgefordert zeigte sie Ms. Harris ihren FBI-Ausweis und wechselte ein paar Worte mit ihr. Cotton bewunderte sie fast dafür, dass sie offenbar in jeder Lage zu Smalltalk imstande war, hielt aber lieber den Mund.
Nachdem die Formalitäten geregelt waren, wandte sich Ms. Harris an das dreiköpfige Expeditionsteam: »Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit, also folgen Sie mir bitte.«
Sie verließen die Cafeteria und steuerten einen abgesperrten Bereich des Flughafens an, der den Geheimdiensten vorbehalten war. Auf dem Flugfeld erwartete sie bereits eine groß gewachsene Pilotin neben einem startbereiten Hubschrauber.
Sie verzichtete auf Begrüßungsfloskeln und kam sofort zur Sache: »Wir fliegen los, sobald Sie in die Maschine gestiegen sind. Ihre Ausrüstung finden Sie mitsamt der Notfallpacks in den Rucksäcken.«
»Welche Rucksäcke?«, wunderte sich Zeerookah.
»Die Rucksäcke, die bereits im Hubschrauber verstaut sind. Darin befinden sich ein paar Dinge, die Ihnen das Leben in der Wildnis erleichtern sollen. Noch etwas: Ich habe Order, Sie alle nach verbotenen technischen Geräten zu durchsuchen. Wenn ich also bitte dürfte …«
Decker stellte sich breitbeinig hin und streckte die Arme etwas ab. So wie die Pilotin jeden Zentimeter ihres Körpers abtastete, machte sie das nicht zum ersten Mal. Nachdem sie Decker ergebnislos durchsucht hatte, war Cotton an der Reihe.
Weitere Kostenlose Bücher